Donnerstag, 5. September 2013

Abseitige Orte im Rollenspiel: Orte der Kunst und was sie bedeuten.

Dieser Artikel soll eine Artikelserie begründen, die ein gewisses Problem im Rollenspiel befasst, das eine kontemporere Problematik betrifft. Auch wenn das vermutlich keiner jemals bis ins letzte Detail zugeben möchte oder würde.
Wir alle kennen Museen und Galerien. Hin und wieder suchen die Spieler-Charaktere diese Orte auf. Und dann bleibt eigentlich nur die Möglichkeit über sich über diese speziellen Dinge jeweils Lustig zu machen, oder überhaupt nichts dazu sagen zu können außer „Ja, da hängen halt Bilder und stehen irgendwelche Objekte rum.“
Kommt das jemandem Bekannt vor? Tja: Besonders im Vampire steht man spätestens mit dem Schlagwort „Toreador“ sehr schnell in der Zwickmühle, wenn es darum geht, sich zu Kunst zu äußern. (Jaja: Nicht so wichtig und Clan Toreador besteht eigetnlich nur aus untergetauchten Tzimisken.)
Doch gehen wir doch einfach mal davon aus, jemand innerhalb einer Gruppe steht ein wenig auf Ambiente-Spiel. Was macht der SL dann, wenn man einen Kunstführer im Museum ausfragt? Oder ein Galerie-Besitzer dem entsprechenden SC etwas erklären soll?
Ich denke hier könnte es dann durchaus interessant werden, ein bisschen hinter dem Schleier der Kunstwelt sich zu bewegen.
Mein Plan dabei sieht folgendermaßen aus: Ich schreibe weniger darüber, was man über ein konkretes Kunstwerk denken soll (auch wenn ich dann und wann den einen oder anderen Hinweiß zu ein paar konkreteren Individuen der aktuellen Gegenwartskunst dabei liefere) sondern ich schreibe vielmehr etwas zur Theorie, den Gedankengängen hinter den Dingen, die häufig mit dem Oberbegriff „Das soll Kunst sein?“ abschätzig zurückgewiesen werden. Ich glaube sicherlich nicht daran, dass eine solche Artikelserie automatisch das Rollenspiel einer jeden Runde revolutioniert oder auch nur am Rande den absoluten Erkenntnisgewinn in neue, transzendente Sphaeren ermöglicht. Was ich hierbei machen möchte, ist lediglich der eine oder andere Gedankenanstoß, der vielleicht dazu führt, dass man sehr spezielle Dinge einmal anders betrachtet und dadurch vielleicht die eine oder andere Szene einmal neu angeht.

Soweit interessiert? Dann werde ich ab jetzt erst einmal aus dem Nähkästchen plaudern und die ganzen unsachgemäßen Banalitäten von mir geben, die so ziemlich jeder ständig schon mal gehört haben mag, aber wohl kaum jemand dabei wirklich bis ins letzte in irgendeiner Weise Beachtung geschenkt haben mag.

Wenn ich mich also mit der Frage der Kunst auseinandersetze, kommt natürlich immer die große Frage auf: Was ist Kunst? Und damit verbunden dann in aller Polemik der Zwiespalt mit dem Kunstmarkt. Worauf ich mich hier nicht konzentrieren werde ist die Frage nach dem „Warum soll das soviel kosten?“, also das, was in der Argumentation des „Das kann ich auch.“ immer mitschwingt. Hierbei geht es eher um das „Was bedeutet mir das?“.

Und genau da liegt gerade das, was immer zu einem großen Problem wird. Die Tatsache, dass niemand sich wirklich einem ganz bestimmten Punkt stellen will. In der Kunst gibt es so gesehen keine objektive Wahrheit, was ein „Das ist Kunst“ anbelangt. Außer einem einzigen Satz: Kunst ist, was gefällt.

Hierbei muss man einen kleinen Gedankengang aus der „Kritik der Urteilskraft“ von Kant aufgreifen. Kant geht im Zusammenhang mit dem von ihm ausgedrückten Begriff der „Erhabenheit“ davon aus, dass in jedem Menschen unter ganz bestimmten Umständen etwas auf der emotionalen Ebene passiert. Das Problem dabei ist, dass jeder Mensch für den entsprechenden Gegenstand, der eine derartige Reaktion des Erhabenen ausdrückt andere Worte zum Um- und Beschreiben nutzt. Das Bedeutet, wenn man es aufs Äußerste runterbricht, dass jeder Mensch andere Emotionen empfindet, wenn er sich mit einem entsprechenden Gegenstand auseinandersetzt. Und hier kommt es zu einem entsprechenden Bruch zwischen Subjektivität und Objektivität. Objektiv ist also, dass wir im Zusammenhang mit bestimmten Gegenständen, die wir Wahrnehmen etwas empfinden. Subjektiv ist aber der Tatbestand, was wir bei der Außeinandersetzung mit diesen Gegenständen empfinden.
Dies ist der Grundlegende Gedanke, den die Ästhetik als Wissenschaft über die Kunst vertritt. Man muss sich dabei nämlich gerade im Zusammenhang mit der Kunst in der weiteren Diskussion, wie sie seit Jahrzehnten geführt wird gerade einen ganz speziellen Bereich vor Augen halten: Die Behauptung, dass es in der Kunst um „Das Schöne“ ginge, kann nicht aufrecht erhalten werden. Das sowohl mit der Tatsache zu tun, dass Schönheit an sich ein seit Jahrhunderten ständigen Modeerscheinungen und sonstigen Sichtweisen unterworfenes Phänomen ist. Und sehr viele Künstler bewegen sich auch im verlauf dieser Jahrhunderte entgegensetzt zu der Frage nach dem Schönen, indem sie mit ihrer Kunst das Hässliche ausloten. Wenn Hegel also in seiner Geschichte der Ästhetik noch von der „Wissenschaft des Kunstschönen“ spricht, wirft er letzten Endes mehr Fragen auf, als er mit dieser Aussage irgendwelche Antworten liefern kann.
Vielmehr nutzt man heute den Begriff der Ästhetik wesentlich mehr aus Sicht seiner Wortherkunft. Ästhetik leitet sich nämlich vom altgriechischen Wort der aísthēsis ab, das so viel wie „Wahrnehmung“ heißt.
Mit diesem Umgang des Begriffes ist insofern schon mal einiges Gewonnen, weil wir auf diesem Weg uns selbst verstärkt in die Auseinandersetzung mit Kunst einbeziehen.
Als Beispiel, um die ein wenig verständlicher zu machen, möchte ich die Bilder von Jackson Pollock hier erwähnen. Gerade weil jeder irgendwann in seiner Schulkarriere einmal mit ihnen in Berührung gekommen sein müsste. Und weil sie aufgrund ihrer Machart ein klassisches Beispiel des „Das kann ich auch“ sehr gut wiedergeben.
Ist man mit einem Bild Pollocks konfrontiert herrscht bei vielen Menschen ein ziemlich großes Unverständnis dafür, dass andere Menschen diese übergroßen Leinwände, die scheinbar nichts anderes als chaotische Linienkritzeleien darstellen, überaus zu schätzen wissen.
Der Punkt bei der Sache ist, dass gerade diese Linien es sind, welche die Leute auseinanderspalten. Was Pollok mit seinen All-over-Paintings nämlich umgesetzte war die Tatsache, dass er bestimmte Qualitäten des Materials, dass er nutzte, sichtbar machte. Es geht also um die Farbe als Material, die bestimmte Fließeigenschaften auf dem genutzten Material, der ungrundierten Leinwand, vorzuweisen hatte. Keine als clever empfundenen Kompositionen, keinerlei besonderer Abbildcharakter. Nur die Farbe als solche.
Das für viele Leute irritierende bei einer solchen Vorgehensweise ist, dass man Zeitgleich eine andere Herangehensweise in die Betrachtung solcher Bilder stecken muss. Ich nutze Pollock hierbei als Beispiel für eine ganze Menge Einzelpositionen, die Zeitgleich auf ähnliche Weise gearbeitet haben. Worauf ich mich hierbei beziehe ist die Tatsache, dass wir, wenn wir ein Bild betrachten normalerweise davon ausgehen, dass wir den kompletten Rahmen von Anfang bis Ende betrachten müssten, um es zu erfassen. Das es sich dabei um eine tradierte Vorstellung handelt, ist dabei nur den wenigsten wirklich bewusst. Was Pollock (und seine Zeitgenossen betrifft) ist das aber eher als falsches Vorgehen zu betrachten. Man nimmt die stärken eines solchen Bildes nicht dadurch war, indem man sich von ihm entfernt, sondern indem man sich ihm nähert. Dadurch wird die eigene Wahrnehmung auf einen Bildausschnitt reduziert, der lediglich teile der gesamten Farbverteilung wahrnehmen lässt. (Von daher sind Personen, die mit zusammengekniffenen Augen sich einem Bild im Museum nähern keine Spinner, sondern eigentlich in solchen Fällen eher Personen, die durchaus „wissen“ auf was sie achten.
Der zentrale Punkt bei einer solchen Vorgehensweise ist letzten Endes folgender: Weil wir Dinge wahrnehmen ist es überhaupt erst möglich ein Kunstwerk zu erfassen. Es ist aber die Art, wie wir etwas wahrnehmen, was letzten Endes dafür sorgt, wie wir eine solche Sache wertschätzen.
Daher ist nicht nur die Frage „Was will uns der Künstler damit sagen?“ von Bedeutung. Vielmehr ist ein Betrachter ebenfalls aktiv mit ins Bild zu beziehen, insofern er sich die Frage stellen muss „Was bedeutet mir diese Wahrnehmung?“. Denn dadurch das „Ich“ als Betrachter eines Kunstgegenstandes diesen rezipiere, bringe ich mich selbst ebenfalls in die Erfassung dieses Gegenstandes mit ein. Ich beurteile einen Kunstgegenstand, indem ich eine eigene Mischung aus Wirkung, Erfahrung, Wissen und anderen Faktoren entsprechend zusammensetze, um meinem Eindruck über etwas einzuordnen. Das Bedeutet, dass ein Urteil über einen Kunstgegenstand nicht einfach nur an den Begriffen „schön“ oder „hässlich“ festgemacht werden könnte. (Ebenso sind andere, ebenfalls an einem Aspekt festgemachte Gegenstände dieser Art, nicht ausreichend als Erklärung.) Eher fällt eine ganze Menge anderer Faktoren hierbei zusammen, die auf diesem Weg ein Produkt aus unserer aktiven Wahrnehmung von etwas herstellen.
In der noch relativ jungen Bildforschung spricht man in diesem Zusammenhang übrigens von einem Perzept unserer Wahrnehmung. Nur damit hier kein Missverständnis aufkommt: Das Perzept ist das noch wertungsfreie Endergebnis unserer Wahrnehmung. Erst im nächsten, darauf aufbauenden Schritt kommt es zu einem Urteil. Und dieses Urteil am Ende ist es dann, was diese gesamte, übergreifende Polemik einbringt.
Das Gute bei diesem Umstand ist letzten Endes, dass man mit einer solchen, rein auf ästhetische Werte abzielende Erklärungen deutlich machen kann, warum für unterschiedliche Personen bestimmte Gegenstände, die ästhetischen Verfahren entspringen, unterschiedliche Werturteile wachrufen. (Da ich vorhin mit Pollock als einem Beispiel aus dem abstrakten Expressionismus gekommen bin, möchte ich also abschluss auf diesen Artikel noch ein ähnlich gelagertes Beispiel herausholen, das ich allerdings eher als Bild, denn als konkreten Fall bemühe.)

Dieses Bild ist ein DinA4-Blatt, dass auf einem x-beliebigen Küchentisch irgendwo in Deutschland liegt. Dieser Küchentisch gehört zu einer Wohnung, in der Familie Mustermann – frisch geschieden – Unterschlupf gefunden hat. Auf dem Blatt Papier sind mit Wachsmalkreiden wilde Striche verziert worden, die zum Teil auch auf der Tischplatte, auf der das Blatt lag, wiederzufinden sind.
Für den durchschnittlichen Otto-Normalverbraucher ist dieses Blatt Papier ein Ärgernis. Weil er die Spuren auf dem Tisch beseitigen muss. Weil das Blatt Papier für ihn eben nur das ist: Ein vollgekrizeltes Blatt Papier, dass er im besten Fall in den nächsten Mülleimer befördern muss. (Oder als Schmierzettel für den nächsten Einkauf noch nutzt.)
Nur Frau Mustermann wird dabei höchstwahrscheinlich ganz anders auf dieses Bild reagieren: Warum? Sie ist die Mutter der Erzeugerin des Bildes. Sie freut sich darüber, dass ihre kleine Tochter kreativ Versucht, die Welt zu erfassen. Und als Ausdruck dieser Erfassung wird sie das Bild mit all seiner unklaren Symbolhaftigkeit durchaus würdigen und entsprechend Behandeln. Indem sie es aufhängt oder in einem Sammelordner abheftet. (Versehen mit dem Datum der Entstehung des Bildes. Und eventuell einem „Titel“, der beschreibt, was dargestellt ist.)
Das passiert, weil Frau Mustermann eine Beziehung zu dem Bild aufgebaut hat, dass direkt aus ihrem eigenen Hintergrund entsprungen ist.

Ich hoffe zumindest, dass ich mit diesem Startartikel ein paar kleinere Einblicke bringen konnte, wohin diese Serie gehen soll und eventuell wird. Ich habe zwar ein paar grobe Ideen bereits, was ich machen will, kann aber langfristig durchaus auch anhand von klarerer Beispielen ein wenig „Futter“ liefern, wie das Ganze sich weiterhin aufbaut.

Wie gesagt: Mir geht es hierbei durchaus um Rollenspiel, aber mit einem sehr speziellen Blickwinkel auf die Thematik, die nicht unbedingt für jedermann automatisch nutzbar ist, sondern nur in speziellen Situationen.

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