Sonntag, 20. Februar 2011

Rezension: Der Erbe des Templers (Geisterjäger John Sinclair Abenteuerband)

Cover: Geisterjäger John Sinclair Abenteuerband
Der Erbe des Templers
Verlag: Ulisses Spiele
Seit einiger Zeit wird das Ding ja groß diskutiert und hier und da immer wieder mal gelobt: Das John Sinclair Abenteuerspiel. Und vor mir liegt jetzt der dritte Band der daraus entstehenden Reihe von Büchern. Schwarzes Hardcover mit der üblichen Aufmachung. Dazu das mittlerweile immer öfter auftauchende Lesezeichen-Bändchen zwischen die 247 Seiten gepresst. Das Ungewöhnliche in dem Bereich ist das für die Reihe jetzt typisch gesetzte, aber ansonsten weniger häufig auftretende B5-Format. Klein und Platzsparend halt. Für die bisher verbreiteten Riesenwälzer vermutlich langfristig gar nicht mal so uninteressant. Aber das wird sich im Laufe der Zeit erst zeigen, ob es sich wirklich durchsetzen wird.

Also, was hat Ulisses mit diesem Abenteuerband verbrochen?
Das Buch lässt sich in vier Teile gliedern: Regelergänzungen, neue Ausrüstung, die eigentlichen Abenteuer nebst Hintergrund und einen Anhang-Teil, der Handouts und die für das JS-Spiel typischen Sonderaktionen zusammenfasst.

Was heißt das jetzt?
Nun, beim Regelteil ist es müßig zu sehr ins Detail zu gehen. Gesagt sei nur so viel: Es werden neue, verbesserte Fähigkeiten vorgestellt, sowie die Palette der Ausrüstungsgegenstände, mit denen der durchschnittliche Geisterjäger gegen die übernatürlichen Bösen vorgeht, um sich besser zu verteidigen. Schlagwörter wie das Fachgebiet Archäologie oder Jagdgewehr oder Silberpulver und die dadurch entspringenden Möglichkeiten sollten hier ausreichen, damit Leute, die die Regeln hinter dem Spiel kennen, sich in etwa vorstellen können, worum das ganze geht. Denn wirklich viel Neues kann man hier nicht erklären, ohne eine Rezeption des Grundbuches zu machen.

„Der Erbe des Templers“ ist in Wirklichkeit in erster Linie ein Abenteuerband, dem man wesentlich mehr Aufmerksamkeit schenken sollte. Nun denn, auf in die Geschichte.

Insgesamt werden in dem Band drei Abenteuer vorgestellt. Der Titel gebende „Der Erbe des Templers“, „Schrecken aus dem Nebel“ und „Biss das der (schwarze) Tod euch scheidet“. So wie es wirkt handelt es sich hierbei um die Weiterführung einer länger führenden, mehr bändigen Kampagne, die Ulisses kurz unter dem Begriff „Der Heroldzyklus“ führt und die Zumindest Elemente aufweist, die bereits im Grundbuch auftauchen. Im Detail betrachtet:

„Der Erbe des Templers“
In diesem Abenteuer werden die Geisterjäger zu einer Art Schnitzeljagd gerufen, die zuerst durch bereits in früher aufgesuchte Ortschaften führt und anschließend mit einer Verwicklung endet in der Will Mallmann eine zentrale Rolle spielt. Es geht dabei um das Rätsel, dass ein paar Artefakte von zwei bereits früher ausgelöschten Herolden miteinander verbindet und (mal wieder) den seit ein paar Jahren ins Bewusstsein der Popkultur eingestanzten Orden der Tempelritter zusätzlich aufgreift. Reitende Skelette Inklusive.

„Schrecken aus dem Nebel“
In diesem Abenteuer verschlägt es die Geisterjäger auf der Suche nach einem Verschollenen Kollegen in ein kleines, verschlafenes Nest inmitten des Dartmoors, das wohl bereits Sherlock Holmes Autor Conan Doyle als Inspiration für dessen Roman der Hund von Baskerville gedient haben soll. Hier hingegen handelt es sich um eine Werwolf-Storyline, die zusätzlich mit einem Hauch Geistergeschichte gewürzt wurde und auf einen Jahrhunderte alten Fluch zurückgeht.
Jedoch wären Geisterjäger wohl nur halb so erfolgreich, wenn sie nicht zwischendurch auch mit solch alltäglichen Dingen wie Autopannen und Meuten streunender Hunde zu kämpfen hätten.

„Biss das der (schwarze) Tod euch scheidet“
Nein, auch wenn es so klingt: Es geht nicht um eine Hochzeit. Oder viel mehr: nicht direkt.
Alles beginnt mit einer etwas seltsamen Anhäufung von Todesfällen in einem der Stadtteile Londons, die eher den gering verdienenden Individuen der Londoner Bevölkerung vorbehalten sind. So ist eines der Opfer aus heiterem Himmel mit der Lieblingswaffe gefrusteter Spielleiter erschlagen worden: Dem typischen Klavierflügel im Orbit. (Ja ich weiß: Andere benutzen auch Ambosse oder ganze Schlösser voller fluchender Franzosen, die Metallkühe katapultieren. Aber das spielt hier gerade eine geringere Rolle. Die Referenz sollte jedem klar sein.)
Das leitende Motiv hierbei ist Rache und Versuchung. Und die Frage, was man tun muss, um die Bösen davon abzuhalten noch mehr Menschen auf ihre Seite zu ziehen. Insofern also nicht unbedingt gänzlich uninteressant, auch wenn ich natürlich nicht zu sehr in Detail gehen kann.

Und als Abschluss darauf folgt schließlich noch ein Spielleiter-Teil, der die einzelnen Abenteuer in den Hintergrund der vorangegangenen Ereignisse noch einmal eingliedert und Erklärungen liefert, was welches Abenteuer zu bedeuten hat. Wobei natürlich die Informationen aus den anderen beiden Bänden vorausgesetzt werden, obwohl sich die eine oder andere Vermutung aus den Schnippseln zu dem, was in Band 2 stehen könnte, machen lässt.*

Fazit:
Bevor mich irgendjemand in der Luft zerreißt: Ich habe durchaus gemischte Gefühle, was diesen Abenteuerband anbelangt. Aber dazu werde ich bei meinen Contras ein wenig mehr sagen.

Was lässt sich also positiv erst einmal festhalten: Das Abenteuer als solches liest sich durchaus zügig und ist strukturiert aufgebaut. Man bemerkt, dass der Fokus sich sehr stark darauf richtet auch unerfahrenen Spielleitern ein möglichst leicht und griffig zu bedienendes Werkzeug in die Hand zu legen, damit diese sich schnell und ohne größere Vorbereitung ins Abenteuer stürzen können. Es wird ziemlich präzise gesagt, was notwendig ist, um etwas zu erreichen, damit der Spielfluss einigermaßen gewährt bleibt und ebenfalls an den richtigen Stellen werden Möglichkeiten genannt, damit Spieler, die nicht mehr weiter wissen trotzdem weiter kommen können, ohne das der Abend mit einem unbefriedigenden Bauchgefühl den Spielabend wieder verlassen können. Zusätzlich dazu werden überall entsprechende Hinweise auf Proben gegeben. Ebenso werden diverse Möglichkeiten für Anfängerspieler geboten, damit diese nicht gänzlich unbeholfen durchs Geschehen stolpern, indem ihnen als Tipps die entsprechend hilfreichen Gruppenaktions-Karten zur Verfügung gestellt werden, so sie eben diese nutzen wollen.

Contras:
Das Abenteuer trieft durch und durch davon, dass es auf Anfängerrunden ohne viel Erfahrung und ohne viel Charakterspiel ausgelegt ist. Was also sowohl positiv an diesen Abenteuern ist, kann ihnen auch negativ ausgelegt werden. Allerdings hängt das mit dem jeweiligen Fokus der entsprechenden Runden zusammen. Ich will hier nicht sagen, dass die Ideen hinter dem Abenteuer an sich schlecht sind, aber das ganze macht doch eher den Eindruck einer starken Railroading-Abenter, die eine Menge Arbeit vom Spielleiter verlangen, wenn man mit einer Gruppe interagiert, die weniger Wert auf Würfeln legt, als vielmehr auf entsprechendes Spiel. Man muss sich also definitiv im Vorfeld klar sein, welchen Fokus man selbst hat. Denn die Hinweise, wie sich entsprechende Personen verhalten, welche Informationen sie Preis geben und dergleichen sind manchmal ein wenig oberflächlich und dann im Rahmen von Proben sehr stark reguliert, dass man schnell den Eindruck erlangt, dass keine wirklichen Alternativen existieren. Hierbei bleibt dann doch häufig der Eindruck einer Einbahnstraße an Möglichkeiten, weil entsprechende Möglichkeiten für alternative Lösungswege nur sehr begrenzt zur Verfügung gestellt werden. (Und ich rede dabei nicht von solchen Klassikern wie der viel sagende Wurf auf „Kraft und rohe Gewalt.) Man gewinnt bei dem ganzen Abenteuer einen sehr starken Eindruck, dass es mehr um Spiel auf der Metaebene (“Metagaming”) als um Charakterspiel geht . Das ist kein vernichtendes Argument für den Abenteuerband als solchen, sollte aber mit bedacht werden.

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass wir hier einiges Schönes haben, aber nicht nur. Für Anfängerrunden, die einen kurzen Ausflug ins Rollenspiel mit der Hintergrundwelt John Sinclairs machen wollen ist der Abenteuerband sicherlich hervorragend geeignet und bietet durchaus einiges an Abwechslung. Das dürfte sowohl für den interessierten Spielleiter als auch für den später am Spieltisch sitzenden und erlebenden Spieler gelten.
Die Frage die bleibt ist allerdings, ob man das ganze nicht mit ein paar mehr alternativen Möglichkeiten hätte versehen können, da sich erfahrenere Spieler und Spielleiter von dem Spiel ein wenig verstört fühlen und bei den Railroading-Aspekten (die sowohl positiv als auch negativ zu sehen sind) eventuell vor den Kopf gestoßen fühlen. Auf diesem Gebiet ist dann doch eine Menge Arbeit oder spontanes Improvisationstalent von entsprechenden Spielleitern gefragt, die sich nicht nur auf das verlassen, was im Buch steht, sondern ihren Spielern auch Freiräume bieten wollen, damit diese sich jenseits des gedruckten Wortes bewegen dürfen. Eventuell könnte man dort die Spaltenhinweise noch ein wenig weiterführend ergänzen um auch zur Improvisation zu ermutigen, oder Alternativen zu ermöglichen. (Nicht jede Runde verlässt sich auf seine „Dienstausweise“, genauso wenig wie sich jede Runde nur auf seine Quotenfrau-SC verlässt – so überhaupt welche vorhanden sind. Im Rahmen der sozialen Interaktion gibt es da gerade immer mehrere denkbare Möglichkeiten.)

*Zur Erklärung: Dadurch das mir als Rezensent der zweite Band „Ewige Jugend“ nicht vorliegt kann ich dazu nur einige Vermutungen, aber keine endgültige Gewissheit im Augenblick ziehen. Falls ich in Zukunft diesen bestimmten Band in meinen Besitz bekommen sollte, folgt zwar vermutlich dazu auch noch eine Rezension, wie ich im Moment auch noch an einer zum Grundbuch arbeite, aber das bleibt abzuwarten.

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