Montag, 21. Juli 2014

Die Insel der Entmündigten, oder: Das ebook-Reader-Formate-Problem

Meine derzeitige Historie an ebook-Readern: Einmal ein Kindl von 2011 (kaput, seid mir mein Handy draufgefallen ist) und einmal ein Kindl von 2013. Ja, ich predige in diesem Artikel Wasser (und den Rest vom Spruch könnt ihr euch selbst ergänzen.)


Das Basale zuerst

Nur damit eines jetzt gleich zu Anfang klar ist: "From a certain point of view..." handelt es sich bei diesem Artikel natürlich um einen dieser "Wasser predigen, aber Wein saufen"-Geschichten. (Mir ist absolut bewußt, das ich bis zu einem bestimmten Grad gerade ein paar ziemlich bigotte Theorien hierbei ausstoße.)

Aber warum einen solchen Artikel schreiben und worum geht es jetzt überhaupt? Warum macht man sich das Leben so dermaßen kompliziert, wenn es doch dermaßen einfache Hardware gibt. Die Sache ist eher anders herum: Gerade weil die Hardware-Lösungen so dermaßen einfach zu sein scheinen, ist es bitter Notwendig sich im Rahmen der eigenen Medienkompetenz reflexiv damit auseinanderzusetzen.

Zuerst einmal zur eigenen Person, so wie ich hier auf diesem Blog meinen kruden Blick auf die Welt präsentiere: Ich bin jetzt schon seid einigen Jahren das, was Umgangssprachlich als "Leseratte" abgetan wird. Dementsprechend verfolge ich auch schon seid Jahren das komplette ebook-Konzept. (Ich glaube ich habe das erste mal einen wirklich "Kaltstart" auf einem Palm-Pilot mit einem der Vorgängerformate der heutigen "großen Zwei" versucht gehabt. Aber das jetzt nur so am Rand.) Grundsätzlich jedem von uns dürfte klar sein, dass die ebook-Reader seit etwas 2000 rum ein immer häufiger erwähntes Thema in den Medien waren. Allerdings damals noch zu Preisen, die jenseits jeglichem Gebrauchssinn waren und technisch noch längst nicht ausgereifter Hardware. (Die üblichen Probleme halt: Speichermedien sind über die Jahre nur ganz langsam günstiger geworden, Batterien halten erst seid relativ kurzer Zeit bei bestimmten Belastungsarten in einem akzeptablen Rahmen und die Displays haben auch einen weiten Weg von augenreizend-leuchtenden LCD-Displays über Taschenrechneroptik zur heutigen eink-Technologie gebraucht.)

Und genau dort begann dann langsam das Problem sich aufzulösen, als die Reader durch eine ganz spezielle Entwicklung mit einem mal den totalen Preiverfall erfuhren: Um 2011 herum senkte Amazon mit der Einführung des Kindle 4 dermaßen drastisch die Preise (und sorgte für einen weiteren Wertverfall bis heute), dass mit einem Mal "alle" zumindest in der Lage waren, sich einen ebook-Reader zu leisten. (Es gab zwar etwa zeitgleich in der Weltbild-Gruppe noch den Trekstor-Reader, der danach kurzzeitig auch in den "anderen" Geschäften auftauchte, jedoch hatte diese immer noch den Nachteil der "von Vorgestern"-Ästhetik. Sehr schwache Batterien, ein beleuchtetes Display, das aus einem Taschenrechner entnommen war und eine deutlich schlechtere Verabeitung.) Kurz: Das Problem begann. (Man könnte jetzt natürlich in sofern argumentieren, dass Amazon durch eine geschickte Geschäftsstrategie, welche mit knapper Kalkulation dem Endverbraucher ein gutes Produkt ablieferte, das dieser schon länger haben wollte, blahblahblah... Wirtschaftswissenschaftler und ihre Gerede lassen sich im Grunde nur auf eines reduzieren: Inhalts- und aussageloses Bullshitbingo.)

Was man diesem Einstiegskindle durchaus positiv anrechnen muss ist folgendes: Es handelt sich um einen brauchbaren, einfachen ebook-Reader zu einem sehr günstigen Preis, solange man nur von der Hardwareseite aus das Ganze betrachtet. (Und damit sprechen wir bis jetzt nur über den Preis.) Kommen wir jetzt zum Wert des Ganzen: Amazons Kindle unterstützt letzten Endes exakt zwei Formate: das Mobi-Format und das auf dem Mobi-Format aufbauende, AZW-Format. (Letzteres stellt dabei die DRM-Einbindung her.) Und das heißt jetzt eindeutig Folgendes: Wer den Kindle kauft, bindet sich, was den Kauf von weiteren ebooks anbelangt, an den Laden, wo man den Kindle gekauft hat. (Das mag in einer Welt, die auf bequemlichkeit denkt, kein Problem sein, doch nutzen wir einfach mal folgendes Bild: Kennt noch jemand aus seiner Kindheit die Pixi-Bücher? Das waren diese kleinen Hefte, welche etwas 5*5cm vom Umfang hatten und kleine Geschichten für kliene Kinder enthielten. Und jetzt nehmen wir mal an, dass der Verlag hinter den Pixie-Büchern, mit dem Carlsen-Verlag übrigens kein Unbekannter, Bücherregale verkaufen würde. Diese Bücherregale sind dann natürlich so abgepasst, das nur Pixi-Bücher darein passen würden, wobei diese Bücherregale so billig sind, das jeder zuschnappt und anschließend die Wohnung voller Bücherregale stehen hat, in die nur Pixi-Bücher reinpassen. Jetzt sichert sich Carlsen noch das Patent auf das Format für Printprodukte von 5*5cm und können somit als einziger im Pixi-Buchformat ihre Bücher herausbringen... und du als Käufer des Pixi-Buch-Regals kaufst jetzt nur noch Pixi-Bücher, weil bei dir nichts anderes ins Bücherregal past.)
Ja: Dieses Bild klingt absurd. Ja: Genau dieses Bild stellt letzten Endes der Kindle da. Nur das der Kindle die Sacher schlimmer macht: Anders als die Pixi-Bücher, kann ich die azw-Dateien nämlich nicht in ein "normales" Bücherregal stellen.

Das ist insofern Fragwürdig, weil die Welt außerhalb des Amazon-Tellerrands ein anderes Format nutzt. Das epub.

AZW/Mobi vs. Epub: Ein technischer Witz.

Was genau diese ganze Geschichte so "witzig" macht, ist dabei aber folgendes: Lies, Damned Lies, and Ebooks. Dieser Blogartikel ist jetzt schon eine ganze Weile her. Aber: Soviel kann sich seit damals nicht an der ganzen Geschichte geändert haben. (Ich verfolge den technischen Wandel nicht im Detail, aber da ebooks von Heute immer noch auf älteren Ebook-Readern laufen, die vor ein paar Jahren erworben wurden, bleibt die Grundlage folglicherweise immer noch die Gleiche.)
Das bittere bei dieser Geschichte ist folgendes: XHTML ist ein offener Standart, welcher so ziemlich jeder Website mehr oder weniger zugrunde liegt. Ein ebook-Reader währe demnach ein extremst von den Möglichkeiten her eingeschränkter Webbrowser, der über ein gesonderes Eingabeinterface-Verfügt, das einem Zugriff auf die CSS-Stylesheets gewährt. (CSS ist jenseits von XHTML eine besondere Weitere Meta-Sprache. Der Unterschied ist dabei folgender: XHTML stellt in seinen Grundlagen den Inhalt und den groben Aufbau einer Website her. CSS aber liefert so etwas wie ein nebenverzeichnis, in dem die Einstellungen bezüglich Textgröße und Schriftart abgespeichert werden. Ich weiß selbst, dass das eine sehr grobe darstellung ist, aber es geht mir dabei nur um die Möglichkeit, das Ganze hier vorstellbar zu erklären.)
Jetzt kommt der Witz: In seinem Grundgerüst ist ein ebook also nichts weiter als eine Website. Diese Website bekommt mit dem Format (sei es jetzt AZW/Mobi oder epub) aber einen Rahmen, in dem die DRM-Lösung eingebettet wird.
Ein ebook-Reader ist also nichts weiter als ein schlechter Tablet-Computer mit unglaublich wenig Apps. Im Grunde genommen ist die einzige App, die auf dem ebookreader installiert ist demzufolge ein Webbrowser, der den Standarts der kommunistischen Partei Chinas genügt, was Datenzugänglichkeit anbelangt.
Hinzu kommt dann noch die Problematik, welche sich hinter dem Lizenz-System von ebooks verbirgt: Im Grunde genommen kaufen wir nämlich nicht die Dateien selbst. Faktisch funktionieren ebooks eher nach dem Konzept von Leih-Bibliotheken: Durch die Abgabe eines bestimmten Preises erwerben wir das Privileg den Text einer ebook-Datei zu Hause lesen zu dürfen.

Streng betrachtet sind ebooks demnach, solange es die Regeln des DRM betrifft, also keinerlei Eigentums-Behafteten Dinge, wie es mit den Artefakten der Druckerzeugnisse der Fall ist. (Und das von dieser Logik bereits mehrfach exzessiv Gebrauch gemacht wurde zeigt eine kurze Suche via Suchmaschine.)

Und genau an eben dieser Stelle beginnt die Gesamte ebook-Problematik mit den billigen Readern vom großen Insel-Produzenten zum Problem zu werden: Wer den Kindle kauft, muss sich von Anfang an bewusst sein, dass er sich an den Amerikaner bindet. (Und dabei eigentlich nur Nachteile einfährt. Wie bereits geschrieben: Unsere Leihbibs setzen aufs epub-Format.)

Lösungsgedanken aus der Misere

Und genau hier bewegen wir uns gerade in dem Problembereich, der die ganze Situation aus meiner Perspektive zumindest so ungeheuer spannend macht.

Rein von der Rechtslage her bewegen wir uns hier nämlich in einer wiedersprüchlichen Problemfeld: Aus analogen Zeiten existiert nämlich für Medien aller Art das Recht auf die so genannte "Privatkopie" für den Hausgebrauch. (Ich habe eine Schallplatte und mache mir davon eine Kopie aus Musik-Kassette fürs Auto oder den Walkman... ja, ich in ein Kind der 80er Jahre und weiß von welchen Geräten ich da schreibe.) Zeitgleich existieren aber Paragraphen, welche es einem Versagen, digitale Schutzmechanismen zu umgehen. (Eine CD wird aufgrund eines Kopierschutzen von meinem Diskman nicht erkannt. Tja: Eigentlich könnte ich eine Kopie davon brennen, aber da auf der CD eben ein Kopierschutz ist, darf ich das rein von der Gesetzeslage her nicht.) Ihr seht also das Problem: Eine Migration von einem Kindle hin zu irgendeinem epub-Reader ist also nicht so wirklich einfach möglich.

Zugegeben: In einer Welt, wo wir ohnehin mit Belletristik zugemüllt werden wäre eine Mögliche, durchaus schlüssige und vor allen Dinge legitime Behauptung, dass man die erworbenen Lizenzen eh nur einmal liest und danach eher virtuellen Speicherplatz "zustauben" lässt. Von daher wäre der Bruch nicht so schlimm, wenn man einfach so im Falle eines Ebook-Reader-Formatwechsels die bisherigen Bücher ohne mit der Wimper zu zucken hinter sich lässt. Zumal man die wirklich bedeutenden und wichtigen Lieblingsbücher eh als feste Kopien erwerben könnte. (Demnach wären ebook-Lizenzen einfach nur extrem wertlose und unbedeutende Daten an Informationsanballungen.)
Aber: Ich bin ein "Mensch meiner Zeit" (was auch immer man jetzt hinter dieser Phrase für sich selbst festmacht.) Das Problem ist halt, dass ich einiges an einen hochmodernen, beschleunigten Lebensstil anpassen muss, ob ich das jetzt will oder nicht. (Ich nutze das Internet, ich bin hochmobil, soweit es die öffentlichen Verkehrsmittel zulassen. Und: Ich brauche häufig "leichtes Gepäck", um mich bei bestimmten Aktionen nicht zu überheben.) Wenn ich ein Buch also nochmal lesen möchte, heißt das für mich zwangsweise also auch, dass ich es in digitaler Form besitzen muss, weil es "für draußen" einfacher ist, eine Handbibliothek dabei zu haben, um im schlimmsten Fall wärend der Fahrt einfach aus einer Laune heraus ein anderes Buch "aufzuschlagen", dass gerade besser zur momentanen Laune passt. Außerdem arbeite ich Zeitweise gerne mit Zitaten. Das führt dazu, dass ich aus meinem Fundus an ebooks zuweilen einfach ein bestimmte Textzeile raussuche und kopiere, um sie im angemessenem Ramen zu verwenden.

Jetzt ist es natürlich nicht so, dass die ganze Welt sich gegen uns Bücherliebhaber verschworen hat: Zum einen ist nicht jedes Buch DRM-Verseucht, wodurch solche kleinen und feinen Open Source-Projekte wie Calibre überhaupt erst eine Existenzgrundlage haben. Die Idee hinter Calibre ist von den Möglichkeiten her eigentlich ziemlich einfach: Calibre ist eine Verwaltungssoftware, die darüber hinaus auch noch die Möglichkeit hat, Formate umzuwandeln. (Das heißt, eine DRM-freie Mobi-Datei kann in eine DRM-freie epub-Datei umgewandelt werden und umgekehrt. Das ist alles rechtlich unbedenklich.)

Kurios und Grauzonenlastig wird es in dem Moment, wo man natürlich das Konzept der Privatkopie für sich nutzen will.

So hat der Österreicher Peter Purgathofer auf analogem Weg und als Protest gegen Amazon ein Verfahren entwickelt, was den Kindle mit Hilfe einer Mindstorm-Konstruktion abfotografiert und in reine Textdateien umwandelt. (Auf diesem Prinzip funktioniert letzten Endes auch die Rechtslage, mit der wir Fotokopien von Buchseiten in Bibliotheken machen dürfen... oder Fotografien, falls die Bücher zu alt und anfällig sind, um auf den Kopierer gelegt zu werden.) Das wäre vermutlich noch die Rechtlich abgesicherteste Methode, die man sich denken kann.

Zur Grauzone im rechtlichen Bereich kommen wir in dem Moment, wo wir uns unser analoges Bücherregal zu Hause ansehen und dann im Internet gezielt nach Kopien der entsprechenden Titel in digitaler Form suchen, die dort unrechtmäßiger Weise zur Verfügung gestellt werden. Diese Verwendung der "Leeter"-Szene könnte unter Umständen noch vor Gericht milde betrachtet werden. (Wohl gemerkt: Könnte, nicht wird. Da ich kein Jurist bin stelle ich hier auch nur Binsen-Weisheiten auf rein theoretischer Ebene an.)

Wer jetzt allerdings nach dem Prinzip lebt, dass kein Kläger auch kein Richter bedeutet, hat natürlich auf einer anderen Ebene - rein theoretisch natürlich gesprochen - die Möglichkeit direkt auf die DRM-geschützten Dateien zurückzugreifen und den DRM-Schutz zu knacken. (Man könnte mit einer kurzen Google suche, theoretisch Gesprochen, über eine Calibre-Erweiterung stolpern. Und wenn man diese, theoretisch gesprochen, einsetzt, würde das die Möglichkeit eröffnen, mit Hilfe des eigenen Heimcomputers, unter Rückgriff auf entsprechende Programme von Amazon oder Adobe, den Kopierschutz von den immerhin käuflich erworbenen Dateien zu entfernen und sie auf diesem Weg für eine Umwandlung in das jeweils andere Format der "großen Zwei" vorzubereiten.
Aber da das nunmal leider Rechtlich überhaupt nicht erlaubt ist, muss man bei dieser Lösung auf dem reinen Pfad des Gedankenspiels bleiben.

Und dabei habe ich das zentralste Problem in diesem epub/AZW-Gekröse noch nicht mal angesprochen, obwohl es egal ob Amazon oder epub immer mit schwingt: Durch das DRM-Verschlüsselungsverfahren ist man immer an das Wohlergehen bestimmter Firmen gebunden: Bei AZW ist es Amazon, im Falle von den epub-Büchern ist es Adobe. (Die Funktionalität der "hart" DRM-Verschlüsselten epub-Bücher ist nämlich direkt mit dem Program der "Digital Edition" verbunden.) Und genau das verändert auf sehr radikale Weise auch den Umgang mit Büchern jenseits der Veränderungen des Verlagswesens: Wenn ein Buch, dass wir eigentlich als Printauflage auch nach dem "Sterben" des entsprechenden Verlages theoretisch noch bekommen könnten, nur in einem digitalen Format noch existiert - und ja: Ich in jemand der derzeit auch mit solchen Problemen erfahrungen macht - so ist dieses verloren, sobald die entsprechenden Festplatten mit Kopien den Dienst einstellen, weil die rechteverwaltende Software nicht länger gepflegt wird. (Oder werden kann.)

Im Grunde genommen ist das ganze Problem hier jenseits sämtlicher Ästhetik auf kultureller Ebene noch lange nicht zu Ende durchdacht worden.

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