Montag, 22. April 2013

Rezension: Pathfinder Handbuch: Die Goblins Golarions

Cover: Pathfinder Handbuch
Die Goblins Golarions

Verlag: Ulisses Spiele
Goblins beißen, Goblins kauen, Goblins schneiden, Goblins hauen, Schlitz auf den Hund, zerhack das Pferd, Wir Goblins fressen, stehl’n vom Herd. (aus einem traditionellen Goblinlied)

Was sind eigentlich Goblins? Je nachdem, welche Wahrnehmung man als Spieler auf die kleinen Gesellen hat, handelt es sich doch normalerweise um Teile der „grünen Flut“. (Sie sind Anhängsel von etwas wesentlich größerem, ebenfalls meistens Grünem, das deutlich stärker ist.)

Pathfinder geht in dieser Hinsicht einen etwas anderen Weg und beschreibt die Goblins im Grunde selbst als die grüne Flut.

Vor mir habe ich die PDF-Version eines der Splatbooks zu den Völkern der Kampagnenwelt Golarion. Auf 31 Seiten wird dabei ein Blick auf die Möglichkeiten der kleinen grünen Teufel geworfen, wie sie die Pathfinder-Welt auf ihre Weise verunstalten.

Zuerst einmal zum optisch Offensichtlichen: Das Titelbild zeigt eine Gruppe Goblins, welche gezielt ein Pferd in einer Vollmondnacht attackieren. Das ist im üblichen Pathfinder-Illustrationsstil gehalten, wobei hierbei der Farbe eine dermaßen große Flächigkeit eingeräumt wurde, dass die Figuration von ihrer üblichen Abstrahiertheit fast schon ins Konkrete überkippt. Die übrigen Illustrationen wirken in dem Zusammenhang dann allerdings deutlich besser, auch wenn gerade die Zähne in einigen Fällen immer wieder die Frage aufwerfen, ob sie wirklich zu der entsprechenden Figur gehören oder einfach daran geklatscht wurden. (Optisch betrachtet muss man also in diesem Zusammenhang sagen, dass einige Sachen nicht ganz ausgewogen sind, jedoch nicht so schlimm, dass das Goblin-Handbuch völlig aus dem Rahmen fallen würde.)

Jedoch weiter im Text: So ziemlich die erste Seite ist ein schneller Überblick, über die wichtigsten Basis-Informationen, welche Volksmerkmale auf Golarion für Goblins zu beachten sind (was auch Namen beinhaltet), als auch die bevorzugten Gottheiten, welche dem Volk der Barghesten entsprungen sind. (Wichtig ist dabei zu erwähnen, dass alle Gottheiten dabei sich auf böse Gesinnungen des kompletten Gesinnungsspektrums der D&D-Regelwelt konzentrieren.)

Im nächsten Schritt wird die Geschichte der Goblins in Golarion, woher sie (ihrer Meinung nach) kommen, was ihr Leben ausmacht und wie sie sich jeweils ihrer göttlichen Orientierung nach voneinander unterscheiden, beschrieben. Reiner Fluff also, der aber eine ganze Menge für die Stimmung der Goblinwelt als solcher aufbringt. (Für das Basis-Verständnis dabei: Goblins sind als Spielerrasse durchaus gedacht, jedoch weisen sie von den Beschreibungen her einige Macken auf die eine Gruppe sprengen könnten.) Allerdings sollten nach der Flufflektüre her zwei Dinge klar sein: 1.) Goblins sind in Golarion eine Naturgewallt. Und 2.) Sie haben auf dieser Spielwelt absolut keinen guten Ruf.

Dementsprechend werden sie im nächsten Schritt noch einmal in verschiedene Stammesstrukturen aufgeteilt, um anzuzeigen, dass sich einzelne Goblins in ihren jeweiligen Lebensräumen nicht immer gleich entwickelt haben. (Das Sie überhaupt so etwas wie eine örtliche Kultur dabei entwickeln konnten ist eh schon fragwürdig genug, wenn man sich ansieht, wie der durchschnittliche Goblin aufwachsen muss.)

Als Zwischensumme kann man aus diesen beiden Kapiteln kann man also Folgendes festhalten: Prinzipiell sind Goblins chaos-stifetende und brandschatzende Allesfresser, die eine wahnsinnige Angst vor Pferden, Hunden und der Schriftsprache haben. Und gerade deswegen haben sie sich opportunistisch wie sie sind auf komplett Golarion verbreitet und ein eigenes Weltbild dieser Welt aufgedrückt.

Und erst jetzt, nach 23 Seiten kommen wir vom geschichtsorientierten Stimmungsteil hin zum Pathfinder-Typischen Crunch.

Und zwar mit der Überschrift Kampf werden zehn neue Talente, welche speziell für Goblins sind, vorgestellt. Glaube dreht sich um die Goblin-Götter und ihre jeweiligen Fähigkeiten. (Hierbei werden auch noch vier neue Unterdomänen eingeführt, welche spezielle Sonderfälle der bislang bekannten Standard-Domänen darstellen.) Wer also schon immer Götter-Domänen haben wollte, die sich gezielt mit Brandstiftung, Folter, Sklaverei und Treibgut beschäftigen, wird bei den Goblins fündig werden.

Im Magie-Kapitel werden drei neue Zauber vorgestellt. (Feuernieser, Klecks und lähmende Peitsche.) Diese sind prinzipiell nicht unbedingt gänzlich nützlich, sondern sollen vermutlich mehr das Gesamtbild des Chaos stiftenden Ärgernisses noch einmal unterstreichen, dass die Goblins ausmacht. Gleiches gilt für die magischen Gegenstände, welche im zweiten Schritt vorgestellt werden. Wer Freude an Chaos-Situationen hat, wird also gerade hier noch ein paar zusätzliche Gimmicks in die Hand bekommen. Insgesamt macht aber gerade dieses Magie-Kapitel eher den Eindruck, das hier ein „typischer Amerikaner“ seinen Hang zu „practical jokes“ nachgegeben hat und dementsprechend bösartige Scherzartikel fürs Spiel beschrieben hat.

Dass genau das alles ein Problem sein kann, wird einem ganz am Ende klar, wenn im Kapitel „Soziales“ schließlich auf die große Frage eingegangen wird, wie man einen Goblin-Charakter in die restliche Gruppe integriert. Es wird hierbei klar und deutlich darauf eingegangen, dass ein Goblin-Charakter die Gruppe sprengen kann, wenn er so gespielt wird, wie ihn die vorangegangenen Seiten beschrieben haben. (Respektive: Es wird dazu geraten, dass ein solcher Spieler, der einen solchen Goblin spielen möchte, besser die Rolle des Spielleiters übernehmen sollte.) Das heißt aber nicht, dass man überhaupt keinen Goblin auf Spielerseite als Konzept auspunkten sollte. Allerdings werden Einschränkungen aufgezeigt, mit denen der Spieler dieses Goblins innerhalb der Spielwelt rechnen sollte, und wie sich die entsprechende Gruppe dabei verhalten könnte/müsste/sollte. (Dass dabei gerade der Bruch zu den Klischee-Goblins gesucht werden sollte, ist hierbei wahrscheinlich klar.) Im Grunde genommen ist ein Spielergoblin anscheinend gerade der Goblin-Außenseiter, der klüger ist, der belesener ist und der irgendwie einen Grund hatte, die Gesinnung von „Böse“ in „Gut“ zu verwandeln.

Fazit:

Kann sich hier noch irgendjemand an die berüchtigten T-Shirts mit dem Aufdruck „Ich hasse Kender“ erinnern? Die Goblins der Pathfinder-Welt scheinen im Grunde das gleiche Schicksal in Böse über kurz oder lang erleben zu müssen. (Respektive: Ich schätze mal, dass sie darauf hinauslaufen könnten.)

Betrachtet man von der SL-Seite her dieses Handbuch, hat man sicherlich einen Steinbruch voller interessanter Ideen, um eine Nervenplage für die Spieler zu erschaffen. (Jedoch sollte man hier sehr dosiert arbeiten, falls man ein Goblin-Fan ist. Das komplette Konzept der Goblins in Golarion entspricht einem hochgradig nervtötendem Ansatz voller Slapstik und bösartiger Witze. Was nicht jedoch heißen soll, dass man die Goblins ganz aufgeben sollte. Nur man sollte sich im Klaren sein, dass ein gut gespielter Goblin einen überdrehten SL in Höchstform und dann sollte man sich gerade hier die Mühe machen ein paar Highlights zu erschaffen, anstelle einfach nur eine große, gesichtslose grüne Flut-Masse auf die Spieler loszuschicken. Besser währe es tatsächlich meistens einen Goblin-Barden dabei zu haben, der die SCs mit seinem Spottgesang belästigt. (Genügend Anregungen für solche Texte sind im ganzen Bändchen immer wieder anzutreffen.)

Aber, und das ist das Traurige an der Sache: Wozu die ganze Mühe eines solchen Bandes, der gerade die Goblin-Kultur als Spielerrasse zum Greifen beschreibt, wenn man mit exakt diesem Hintergrund dann im Anschluss als Spieler eh brechen muss? Warum sollte man den Goblin-Gelehrten spielen, wenn der durchschnittliche Goblin aus kultureller Angst jeglicher Schriftsprache ausweicht? Mir ist durchaus bewusst, dass hier eine problematische Rasse doch noch spielbar gemacht werden soll. (Ein Wunsch, der vermutlich spätestens durch den Webcomic „Goblins: Life through their eyes“ bei einigen Spielern wach geworden sein sollte.) Jedoch stellt sich mir bei so etwas dann doch die Frage: Warum sagt man nicht einfach, dass hier eine Spielerasse vorliegt, die ganz bestimmte Gruppen voraussetzt? Die reinen Goblin-Runden oder eben die „bösen“ Runden, die zugegebenermaßen früher oder später dazu tendieren, dass sich die einzelnen Charaktere gegenseitig in den Rücken fallen? Insofern bereitet mir der Band gerade ein paar Bauchschmerzen.

Davon abgesehen bietet der Band aber alles, was man zum Spielen braucht. Insofern bekommt hier als Spieler also ein Splat-Book in die Hand gedrückt, das zwar seine Macken im Gruppenzusammenspiel erschafft, aber ebenfalls für dieses Gruppenzusammenspiel sehr viele chaotische Faktoren mit hineinbringt. Gerade weil das tragende Goblin-Thema Chaos ist, bekommt man hier eine (in meinen Augen) runde Themenfülle an neuen Regelstücken zur Verfügung um einen dieser kleinen Panikmacher zufriedenstellend darstellen zu können. (In meinem Kopf sind durchaus ein paar sehr hübsche Bilder von einem Goblin-Paladin entstanden, der schreiend durch ein Lager rennt, weil ihm gerade ein Zwergdackel hinterherläuft.) Es ist höchstwahrscheinlich dieser sehr schmale Grad zwischen Amüsement und nervtötenden Eigenarten, der einen Goblin reizvoll machen kann. Man muss sich nur sehr stark darauf einlassen und sich selbst bewusst machen, mit welchen Problemen die entsprechende Person da arbeitet.

Zum Thema „Taugt das PDF an sich?“ gibt es nichts zu vermitteln. (Respektive: Nichts negatives.) Eine Grundlegendes, anwählbares Inhaltsverzeichnis ist vorhanden. Die Suchfunktion greift und Textpassagen lassen sich für die eigenen Handouts sogar bis zu einem gewissen Grad aus dem Dokument heraus kopieren. (Was gerade im Zusammenhang mit der Frage nach Druckerfreundlichkeit nützlich sein könnte.) Grundsätzlich ist also hier nichts zu meckern.

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