Dienstag, 27. Mai 2014

Rezension: Buch der Verdammten 01: Hölle

Cover: Buch der Verdammten 01: Hölle

Verlag: Ulisses Spiele
Ich bin mir gerade nicht ganz sicher, ob ich jetzt für jeden völlig bekanntes hergebe, oder aber anderweitig seltsames Geschreibsel jetzt produziere, jedoch: Ich war ein wenig irritiert, als ich das PDF für diesen Band in die virtuellen Hände gedrückt bekommen habe und musste ein wenig recherchieren gehen, ehe ich es eingeordnet bekam. Sicher: In dem Zusammenhang, dass spätestens seid dem Planescape-Setting in D&D die Idee eines „Multiversums“ enthalten ist, liegt es eigentlich auf der Hand, dass auch so etwas wie der Ort Hölle existieren könnte. Fakt ist aber, dass die komplette Idee mit bestimmten Erzteufeln und Dämonen, die an einem ganz bestimmten Ort entspringen, bereits sehr früh in den ersten D&D-Umsetzung auftaucht. (Der Name Asmodeus, der auch in diesem Höllenband eine sehr zentrale Rolle spielt, zieht sich wie ein roter Faden durch alle D&D-Editionen, die es seit den 70ern gab.)

Diese Inkarnation der Hölle ist in das „komplexe System“ des „Multiversums“ durchaus verwoben. Das heißt, das sich sowohl die sterblichen Charaktere, aber auch die Seelen der Verstorbenen in diesem aufhalten können.

Doch was heißt das fürs erste genau? Von der reinen Seitenzahl her, wird in dem PDF auf insgesamt 68 Seiten ein zu großen Teilen fast schon reiner Flufftext präsentiert. Eingeleitet werden die wichtigsten Abschnitte dabei jeweils mit fast schon Handout-artigen Seiten, welche eine leichte Assoziation in Richtung altem Pergament zulassen, das im Laufe der Zeit leicht gelitten hat und mit einer handschriftlich wirkenden Type, die natürlich in Rot-braun gehalten ist (ein Schelm, wer dabei an Blut denkt.) Diese jeweiligen Stimmungsseiten stellen „Auszüge“ aus dem Buch der Verdammten dar, die die Geschichte von Asmodeus, der Herrn der Hölle wiedergeben, der einen direkten Einfluss auf die Schöpfung hatte. (Ironischer weise muss man hierbei übrigens noch hinzufügen, dass Asmodeus, entgegen dem landläufigen Meinungen zu Satanskulten, nicht für Chaos, sondern für eine perfide Form von Ordnung steht, während sein Bruder, der andere Schöpfergott in dieser Geschichte, das kreative Chaos des Lebens und damit den kompletten Pantheon der Pathfinder-Welt verbrochen hatte.) Soviel zur Stimmung des ganzen.

Faktisch wird jetzt beinahe die komplette erste Hälfte des Buches ein bestimmtes Szenario von Höllenvorstellung aufgebaut: Ein eindeutig von der devina Komedia inspiriertes Setting aus neun Kreisen, die jeder für sich ein eigenes Grundthema mit jeweiligem Herrscher darstellen, wird in groben Zügen beschrieben. Dabei spielt beim jeweiligen Kreis zuerst das äußere Erscheinungsbild eine besondere Rolle, während anschließend die Herkunftsgeschichte der dazugehörigen Herrschers beleuchtet wird, seine entsprechende Funktion im von Asmodeus geschaffenem Reich der Hölle und manchmal auch seine besondere Schwäche. (Sofern eine vorhanden ist.) Ich werde jetzt nicht jedes Reich einzeln umreißen und dabei dem entsprechendem Herrscher endlose Schund-epen widmen, doch sei zumindest folgendes dazu noch gesagt: Annähernd jede finstere, popkulturelle Vorstellung der Hölle findet hier in irgendeinem Kreis sein entsprechendes Pendant. Sei es jetzt der finstere Basar, auf dem um Seelen geschachert wird, die düstere Grotte, in der man von unaussprechlichen Schätzen, die einem korrumpieren können, verdorben wird, oder aber auch das Paradies, der irgendwo einen falschen Abstecher gemacht hatte und jetzt eher an eines der Bilder von Escher erinnert: hier werdet ihr fündig und müsst nur den entsprechenden Grundton an eure Bedürfnisse anpassen. (Oder umgekehrt. Je nachdem wie sklavisch man sich an die Vorlagen halten will.)

Grundsätzlich gilt bei allen diesen einzelnen Beschreibungen aber: Sie sind reiner Fluff. Düster, aber ohne jegliche regelmechanische Angaben. Mit ist jetzt nicht klar, ob Individuen wie Mammon oder Balzebub bereits in anderen Publikationen einen in Werte gegossenen Auftritt haben, aber: Ich denke eher, das diese Fürsten der Hölle lediglich Geschichten vom Monster unter dem Bett bleiben sollen, als tatsächlich in Erscheinung zu treten. (Obwohl Pathfinder in seiner grundlegenden Verwandtschaft zu D&D ja letzten Endes schon mit dem Vorwurf der „Lager-than-Life“ Gruppierungen zu kämpfen hätte. Und wenn man schon nicht die Götter selbst auslöschen kann, warum dann nicht einfach die Hölle erobern?) Was ihr hier also bekommt sind mehr Triebmotive in einem bestimmten Reich der Hölle, wenn man auf dessen Bewohner trifft, als das man mit den jeweiligen Herrschern der entsprechenden Höllenabschnitte großartig Kaffee trinken würde. (Ihr wisst, wie ich das meine.)

Weiter geht es dann mit niedrigeren Strukturen, die aber weitestgehend überall in der jeweiligen Reichen gleichermaßen anzutreffen sein sollten. Das sind dann jeweils keine besonderen Individuen, wohl aber immer noch so etwas wie das höllische Pendant zu Bürokraten. (Verwaltende Dämonen, oder wie man das jetzt bezeichnen will. Sucht es euch aus: Es trifft vermutlich alles irgendwie zu.)

Aber: Die Hölle greift ja nicht nur auf sich selbst zurück, sondern versucht, so zumindest die allgemeine Vorstellung, auf die sterbliche Ebene Einfluss zu nehmen.

Somit ist das dritte Kapitel dem Thema der Teufelsanbetung gewidmet. Immer noch, wie die ganze Zeit bis hierhin natürlich auch, alles nur reiner Fluff für sich betrachtet. (Regelcruncher werden also hierbei entsetzt die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, weil sie so gut wie nichts für sie brauchbares an die Hand gereicht bekommen.) Allerdings will ich nicht lügen: In diesem Kapitel kommen natürlich die ersten, echten Werte auch ins Spiel. Und zwar werden besondere Artefakte vorgestellt: Die s.g. Teufelstalismane. Das sind besondere Artefakte, die bei einem höllischen Pakt ausgehändigt werden und dem Träger besondere Effekte zugestehen.

Aber: Auch für Spieler gibt es ansonsten einen sehr praktischen Ansatz, auf den sie zurückgreifen können: Es wird mit dem Diabolisten eine neue Prestigeklasse präsentiert. Mit allen notwendigen Fähigkeiten und Zaubersprüchen, die dieser voraussetzt.

Und falls das noch nicht Reicht kommt im Anschluss noch eine kleine Aufzählung von Relikten, die direkt aus der Hölle kommen.

Die Große Frage, die sich jetzt vermutlich einige Stellen ist vermutlich: „Aber kommt denn gar nichts Höllisches zum draufschlagen vor?“ Die Antwort lautet schlicht und ergreifend: Doch. Denn das vierte Kapitel, irritierender weise „Diablerie“ genannt haut noch eine ganze Menge „klassischer“ Monster heraus und stellt deren Werte vor. Alles ist dabei irgendwie seltsam verdreht und scheußlich Boshaft. Wie auch immer man die jeweiligen Kreaturen betrachten will: Sie passen auf eine jeweils komisch, organisch gewachsene Weise in das Szenario, auch wenn die Illustrationen in diesen Fällen beinahe immer an Chitin erinnern.

Apropos Chitin in den Illustrationen: Bis jetzt habe ich zu dem Thema ja noch gar nichts gesagt.

Die Illustrationen passen im gesamten Buch durchaus, auch wenn sie Stilistisch sehr unterschiedlich sind. (Man bemerkt hier mal wieder, dass sehr viele verschiedene Illustratoren einem Band ihre jeweiligen Werke beisteuern.) Rahmentechnisch wird dabei rein vom assoziativen Standpunkt aus gesehen ein breiterer, kultureller Rahmen an Dämonen abgespickt, was die jeweiligen Dämonenlords anbelangt. Das fängt bei insektoiden Schrecken in dunkler Kapuze an, geht dann über eher europäische Vorstellungen von Teufeln weiter und landet dann irgendwann bei Figuren, die eher Asiatisch oder Indisch angehaucht sind. (Zumindest wirkt die Illustration zu „Mammon“ nicht wirklich in irgendeiner Weise so, als würde sie dem gewöhnlichem, westlichen Kulturkreis eine Inspiration herausgenommen haben.)

Fazit

Her steht ich hier, ich armer Tor und bin nicht weiser, wie zuvor. Um man einen meiner Lieblingsfeinde in Form von Goethe zu zitieren. (Der es ja auch irgendwie mit höllischen Deals zu tun hatte.) Das Buch der Verdammten lässt zumindest mich ein wenig fragend gerade zurück. Was will man damit? Ein Totenreich, das sowohl fantastisch als auch provokant ist für den pubertären Lachfaktor nebenbei einsetzen? Aber dann muss man letzten Endes sagen, dass alle diese Faktoren zu grob beschrieben worden sind, um für große Plots Inspirationen zu liefern.

Aktuell würde ich schlicht und ergreifend sagen: Hier wird mehr mit der Andeutung zu besonders fürchterlichen Szenen gespielt, die dann die jeweilige Gruppe im jeweils eigenen Kontext zur schlimmst möglichen Vorstellung überhaupt ausbauen kann. Wir wissen halt nur, dass die Hölle ein schlimmer Ort zu sein hat. Wie sie das sein könnte… tja: Bauts euch selbst aus.

Ich würde nicht zwingend behaupten, das mit diesem Band ein großer Wurf gelungen ist. (Vor allen Dingen, weil in unserer Popkultur schon deutlich mehr „böse“ Kreaturen und jenseitge, dunkle Orte existieren, welche ein negatives Jenseits darstellen, existieren.) Aber: Eventuell liegt auch darin der entsprechende Grund, warum man einen Band zu Hölle braucht. Einfach eine legitime Bedrohung zu erschaffen, von welcher „das Böse“ dann in die Spielwelt eindringt. Das kann einen Reiz ausmachen, sofern man mit anderen Elementen spielt, die das Monster im Menschen thematisieren. (Wobei die typische Horrokampagne, welche solche Höllen-Szenarien nützlich machen würde, eigentlich nicht im Helden-Kontext von Pathfinder vorgesehen ist.)

Ich bin gerade am Überlegen, ob Abenteuer mit Charakteren von der bösen Seite des Moralsystems von Pathfinder mit Hilfe dieses Bandes einen klassischen Ansatz ermöglichen würden. (Ihr wisst schon: Wir erobern die Dungeons um Macht, Ruhm und Reichtum zu erlangen. Und alles im Namen von Asmodeus. Dem Herrn der höllischen Ordnung.) Das würde zumindest als Begründung helfen, wie man mehr „normale Abenteuer“ mit Gruppen spielen könnte, deren normales Ende eigentlich der TPK durch die eigenen Mitspieler gewesen wäre… inmitten des gerade eben frisch angezündeten, kleinen Dorfes. Insofern bietet der Band also durchaus einen nützlichen Zweck, indem er böse Gruppen ermöglicht, die mehr wollen als Chaos und Zerstörung.

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