Montag, 29. Dezember 2014

Rezension: Grady Hendrix: Horrorstör

Cover: Grady Hendrix
Horrorstör
Verlag: Quirk Books
Mir ist etwas... ungewöhnlicheres in die Hende gefallen. Und zwar eine „Horror-Novel“ von Grady Hendrix, die versucht mit dem Genre des „Hounted House“ ein wenig zu spielen und ins ungewöhnliche zu verschieben.

Protagonistin der Erzählung ist „Amy“ eine Studienabbrecherin aus Cleveland, Ohio, die in einem Ikea-Ripoff Namens „ORSK“ ihren Lebensunterhalt zu verdienen versucht. Amy ist Jung, mit ihrem Leben frustriert und versucht aus ihrer derzeitigen Filliale wieder wegzukommen, wenn da nicht ihr Vorgesetzter wäre, der dazu übergegangen ist Gründe zu sammeln, bestimmte Arbeiter möglichst bald feuern zu können. (Und Amy steht anscheinend sehr hoch auf dessen Liste.)
Das Problem ist nämlich, dass die neue Filiale des Möbelriesen „ORSK“ mit Absatzzahlen zu kämpfen hat, die weit hinter den Erwartungen liegen und darüber hinaus mittlerweile auch noch größere Fälle an Vandalismus jede Nacht aufs Neue innerhalb der ORSK-Filliale passieren.
Basil, der Vorgesetzte von Amy rekrutiert diese und eine weitere Angestelte kurzerhand zu einer Sonder-Nachtschicht, um den Geheimnissen im ORSK auf den Grund zu gehen.
Jetzt passiert es natürlich, dass zwei weitere Mitarbeiter sich einfach während der Nacht in die Filiale eingeschlichen haben, um ihre eigene Real-Doku-Geisterjäger-Fernsehserie zu drehen, und ein Obdachloser auf der Verkaufebene seine übernachtungsgelegenheit gefunden hat.
Aber das wahre Problem beginnt erst in dem Moment, wo jemand auf die Idee kommt, eine Sceance abzuhalten....

Nachdem jetzt das Inhaltiche zumindest grob umrissen wurde, haben wir hier ein paar Dinge, welche die Optik des Buches betreffen und dabei nicht unerwähnt bleiben sollten: Äußerlich hat man als erste, spontane Assoziation sofort das Gefühl, dass man einen Ikea-Kathalog in die Hand nimmt, anstelle eine regulären Romanes. Das Coverbid ist nämlich eine typische Einrichtungssituation die sie auch den realweltlichen Ikea-Katalogen entspricht, nur das hier auf der Frontseite eben nicht die Möbel von Ikea, sondern die von ORSK USA abgebildet sind. Zusätzlich dazu wurde hier aber auch das Format von IKEA-Katalogen gewählt, so das die Opti und die Haptik entsprechender Produkter miteinander beinahe übereinstimmen. (Zusätzlich dazu entsprechen auch noch die ersten inneren Seiten dem Aufbau des Vorbildes, indem mit einer gewissen Pedanterie darauf hingearbeitet wird, den Eindruck zu verstärken, dass der hier abgedruckte Katalog einem tatsächlichen, standardisiertem Einrichtungshaus entspricht, indem mit viel Kleinarbeit der typische Aufbau eines solchen inklusive entsprechender Bestllformulare und „zusätzlicher Angebote“ der Sorte Markteigenes Restaurant aufgezählt werden.
Die eigentliche Geschichte versucht diesem Eindruck vom Layout dann insofern gerecht zu werden, dass jedes Kapitel nach einem speziellem Einrichtungsgegenstand benannt worden ist, der in dem Kapite eine zentralere Rolle spielt und darüber hinaus noch mit einem Ikea-artigem Skizzen-Blueprint eingeleitet wird, der das Möbelstück im montiertem Zustand präsentiert. (Das ist untypisch für die Kataloge des Vorbides, entspricht aber den Montageanleitungen.)
Da die ganze Geschichte in ihrem Verlauf vom „freundlich kommerziellem Unglücksbereiter“ hin zum „Horrorstör“ kippt, verändern sich die entsprechenden Blueprint abbildungen insofern, dass sie von Möbeln plötzlich zu Folterinstrumenten werden, welche aber in dieser Form trotzdem als Waren in einem Möbelriesen immer noch denkbar wären. Und der zentrale Kniff in der Optik endet damit, dass der „Katalog“ auf der Rückseite eine drastisch veränderte Version des Frontbildes zeigt. Weg von der Einrichtungsszene hin zum „Beehive“, der in der gesammten Geschichte als Aufhnger eine zentrale Rolle spielt. Es ist dunkel, heruntergekommen und mit Wasserschäden und Ratten drapiert. Darüber hinaus greifen Hände aus den Regalfächern, die jetzt mehr an die Gitterstäbe von Gefängniszellen erinnern.

Um zu einem Abschluss zu kommen, muss ich noch eben einen Begriff in den Raum stellen, der im Klappentext eingeführt: Der der Parodie. (Und damit auch den der Komödie letzten Endes.) Die Geschichte von Horrorstör basiert letzten Endes natürlich auf diversen überzogenen Momenten des Gefühls des Horrors und macht dies in seinem kontextuellen Aufbau entsprechend sehr gut. Das man dafür als Setting ein modernes Einrichtungshaus nimmt wirkt zwar Absurd, ist für sich betrachtet allerdings eine sehr Naheliegende Möglichkeit. (Schon allein wenn man den Hintergrund, warum es in diesem Haus spukt, noch mit einbezieht.) Das Problem dabei ist, dass hier eine Menge Wissen vorausgesetzt wird, wie unsere moderne Welt zum Teil von den Marketing aufbauenden Basis-Annahmen her funktioniert. (Es gibt zwar ein paar Versuche, diese Ansätze innerhalb der Geschichte zu erklären, indem man die entsprechenden Analogien vorstellt, aber: Es kann durchaus nützlich sein, ebenfalls noch einen Blick in Michel Foucaults „Überwachen und Strafen“ geworfen zu haben.) Und genau da beginnt dann das Problem der Parodie: Hier wird mit Elementen gespielt, die für ein bestimmtes Genre typisch sind, das hierbei bekanntermaßen zugrunde liegt. (Die bereits erwähnten „Haunted House“-Geschichten.) Aber: Parodien dienen eher dazu, zu amüsieren, in einem lustigen Sinne. (Zumindest ist das die kollektive Auffassung, welche hinter dem Begriff der Parodie steckt.) Da die Parodie allerdings Artverwand mit dem Genre der Kommödie ist, welche aber in ihrer klassischen Definition nicht darauf hinaus läuft, dass sie lustig sein soll, sondern das sie letzten Endes eine politisch motivierte Diskreditierung bestimmter Bevölkerungsgruppen darstellt. (Kurz gesagt: Die klassische Definition der Komödie besagt, dass es in ihrem Inhalt um bürgerliche Individuen geht, die im Verlauf der Komödie alles verlieren. Das besagt, dass bürgerliche Personen in ihrem normalen Verhalten automatisch Grundsätzlich lächerlich sind. Das diese Theorie nicht funktioniert erkennt man sehr gut an Dramen wie das bereit von mir besprochene Stück „Kunst“ von Yasmina Reza, das zuweilen durchaus in die Kategorie der Komödie eingeordnet wurde.)
Unabhängig vom absurd aufgebautem Setting, handelt es sich bei Horrorstör um eine sehr gut aufgebaute Story, die mit sehr viel Liebe zum Detail mit den verschiedenen, klassischen Elementen des Horror-Genres spielt, so dass man als Leser (und ein wenig Empathie) nur all zu schnell mit den Figuren mitempfindet und ihre sich unglaublich schnell steigernden Todesangst all zu gut identifizieren kann. Innerhalb dessen, was in dieser Nacht passiert, lernen Amy und ihre Kollegen nur all zu gut die verschiedenen Elemente kennen, welche ihnen die für das Aufkommen des Horros notwendige, letzten Elemente der Sicherheit rauben. (Und verzichtet dabei vollkommen auf die in anderen Horroszenarien in letzter Zeit so beliebt gewordenen reinen Ekeleffekte, die fast schon nur noch den Eindruck erwecken, dass dies „Horror“ sei. (Und dadurch als Machwerk eher die gleiche Form von Horror darstellen, die jedes Parteiprogram der FDP grundsätzich in ihrem Inhalt ist.)

Wer sich also mit einer klassischen Horrostory in einem kontemporären Setting amüsieren will und sich dabei für grafische Spielereien begeistern kann, findet hier definitiv einen kleinen Appetitanreger für den kleinen Schrecken zwischendurch.

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