Montag, 26. Januar 2015

"Nerdrage": Rettet eure Kultur. Rettet eure Kunst.

Okay, ich sprenge mal eben ein wenig arg den Ramen, den dieser Blog eigentlich gesetzt hat. (Aber wie heißt es so schön: Erst wenn man seine Grenzen zu überschreiten versucht, kann man überhaupt an sie stoßen.)

Worum geht es mir eigentlich? Wie ihr sichelrich mitbekommen habt, ist ein großes Interesse meinerseits neben dem ganzen eindeutig „geekigen“ Zeugs, dass ich die meiste Zeit hier Thematisiere gerade die bildende Kunst. (Sei es jetzt im Zusammenspiel von Beziehungen auf zwischenmenschlicher Ebene, wie es Yasmina Rezas „Kunst“-Drama aufgebaut hat, oder aber sehr konkret an Fallbeispielen wie dem duisburger David, wo ich zumindest nach Möglichkeiten suche, die entsprechenden Positionen ein wenig zu beleuchten und aufzuzeigen, warum solche – zum Teil im öffentlichen Raum stehenden Projekte – eben mehr sind als ein simples „Das kann ich auch.“.)

Wer außerdem ein wenig aufgepasst hat, dürfte jetzt gerade mitbekommen haben, dass ich selbst in NRW derzeit mein „Dasein friste“. Und hier passiert gerade etwas, dass man einfach nur als ungeheuerlich letzten Endes betrachten kann. Im letzten Jahr wurde bekannt, dass die Westspiel, eine Tochtergesellschaft einer Landeseigenen Unternehmensgruppe, die dem Finanzministerium unterstellt ist, über zwei Warhol-Werke verfügte, die sie jetzt zum Verkauf anbot, da der entsprechende Marktwert angestiegen war. (Die Westspiel wollte damit ihre roten Zahlen ausbügeln.) Weniger Kunstinteressierte haben wohl zu dem Zeitpunkt mit den Schultern gezuckt und diese Nachricht einfach übersprungen haben. Das Problem bei der ganzen Geschichte ist nur: Die ursprüngliche Anschaffung dieser beiden Gemälde war mit Steuermitteln geschehen. Faktisch wurde hier also tatsächlich Kulturgut des Staates veräußert. (Und ich will jetzt nicht hören, dass eine GBR, oder was auch immer die Westspiel jetzt ist, halt haushalten müsse.)
Letzten Endes bedeuten gerade solche Einkäufe, wie die beiden Warhols sie darstellten, immer, dass hier im Rahmen eines kulturellen Bildungsauftrags wichtige Kulturgüter erworben werden, welche jenseits sämtlichem Marktgeschmacks der Bevölkerung auf die eine oder andere Weise zugänglich gemacht werden, damit auf diesem Weg der kulturelle Dialog und Diskurs gefördert werden kann. (Der Punkt bei solchen Handlungen ist gerade, dass man tatsächlich bemüht darum ist, die Werke hochwertiger Künstler zu erwerben, um langfristig einen möglichst guten Kunsthistorischen Querschnitt zu ermöglichen. Ein Weg dafür ist, Kunst in dem geschützten Mikrokosmos des Museums unterzubrigen, wie es hier in NRW die Kunstsammlung mit dem K20 und K21 in Düsseldorf macht. Das sind natürlich Prestigeträchtige Objekte, in denen Kunst als Kunst sofort wahrgenommen wird. (Und wo man auch die Frage aufwerfen kann, ob alles im Museum automatisch Kunst ist. Aber ich will hier keinen Ausflug in die Welt der Dadaisten machen.) Eine weitere Möglichkeit ist es eben, Kunst in die Räume des alltäglichen Lebens zu integrieren und sie dadurch mehr Leuten zugänglicher zu machen, die sie dann entweder bewusst oder unbewusst wahrnehmen können. (Ein prominentes Beispiel dafür wäre der „Livesafer“ von Niki de Saint Phalle in Duisburg, der von der dortigen Bevölkerung über die Jahre eine gewisse „Hassliebe“ eingesammelt hat. (Der Spitzname „geiler Geier“ hat sich über die Jahre ausgebildet. Der Punkt bei der Sache ist aber, dass diese Hassliebe es aber letzten Endes ist, dass die Duisburger zeitgleich diesen Farbklecks in ihrer Innenstadt unglaublich zu schätzen lernen. Bis hin zur Identifikation, dass sich langfristig Wiederstand bilden würde, wenn das gute Stück irgendwann entfernt werden sollte.) Das ist halt der Punkt, der dazu führt, dass innerhalb von bestimmten Einrichtungen die dem Land irgendwo unterstellt sind auch besondere Werke auftauchen. (Zumal hier im Rahmen des Bildungsauftrages, den das Land besitzt, die Kulturförderung durchgeführt werden kann.) Leider haben eben diese speziellen Faktoren diverse Leute vergessen, welche Dollarzeichen mit Werten verwechseln.
Kurz: Die Bilder der Westspiel wurden verkauft und die Kunstszene hier in NRW erhielt einen gewaltigen Schlag in die Magengrube.

Seitdem bestand halt eben die große Angst, dass weitere Aktionen dieser Art folgen könnten. (Der Punkt bei dieser Sache ist nämlich, dass Steuergelder immer auf verschiedene Budgets aufgeteilt werden, und Museen, sowie andere Einrichtungen, immer nur einen kleinen Teil des gesammten Kuchens erhalten. Sprich: Was in dem einen Topf fehlt, mag in eine anderen Topf zu viel vorhanden sein.) In dieser Hinsicht hatte sich über die Jahrzehnte ein gewisses „Mezähentum“ aufgebaut.
Wirtschaftlich stärker orientierte Einrichtungen mit hoher Gewinnausschüttung konnten sich zu Weilen die Anschaffung eines teureren, qualitativ hochwertigen Kunstnamens leisten. Die Folge davon war, dass eine entsprechende Einrichtung das jeweils interessante Werk erwarb (wohl gemerkt: Aus Steuergeldern, denn der Privatisierungsblödsinn war zu dem jeweiligen Zeitpunkt noch nicht ausgebrochen) zwar die Besitzrechte behalten musste – immerhin war das Kunstwerk je aus dem jeweils eigenem Budgettopf erworben worden – aber es der Öffentlichkeit als Dauerleihgabe zur Verfügung stellte, indem es es einem Museum zur Verfügung übertrug. (Gewisse Vorteile hatte die jeweilige Einrichtung natürlich ebenfalls daraus, seien sie jetzt fiskaler oder prestigeträchtiger Natur gewesen.) Dieses gegenseitige Aushelfen auf kulturpolitischer Ebene hatte ohne Privatisierung über Jahrzehnte hervorragend funktioniert.

Das Problem ist jetzt, dass mit der Privatisierung eben weiterhin Besitzrechte in den Tochterfirmen des Landes verblieben sind und sich das plötzlich rächt. Kulturelle Neandertaler mit lobotomisierten Schädeln stellen mit einem mal fest, dass sie über Wertgegenstände verfügen, die sie nicht haben. Zeitgleich haben sie aber Ausgaben und andere Bedürfnisse, die dringend getilgt werden müssen. (Und ob diese Ausgaben nicht eher in Form des jährlichen Ferraris zu sehen sind, als im Rahmen einer wie auch immer gearteten „wirtschaftlichen Verbesserung ihres Unternehmens“ muss man auch erst einmal in Frage stellen.)
Jedenfalls ist der Punkt bei der ganzen Sache, dass jetzt mit einem mal Unmengen kulturell Wichtiger Artefakte als „Eigentum“ zurückgefordert werden, um sie auf dem Privatmarkt zu verschachern. (Das Schlimme bei der Sache ist, dass auf diesem Weg unsere Museenszene mit einem mal leergeräumt zu werden droht.) Unzählige sehr wichtige Objekte drohen aus dem Land zu verschwinden, weil sie eben nicht endgültig in den Besitz des Landes zurückübertragen werden. (Wo sie hingehören.) Sondern auf dem Weltmarkt meistbietend verschachert werden sollen. (Was für uns auf dem Streetlevel als Bürger ungemein schlecht wäre, auch wenn es nicht jedem sofort klar sein dürfte, warum.)

Vorerst existiert eine Notlösung, weil das Land NRW als solches mit einem mal deutlich heftigeren Gegenwind erfährt, als es noch bei den Warhols der Fall war. (Zu dem Zeitpunkt waren es nur ein paar wenige interessierte Kulturschaffende, die aber durch ihren Protest angefangen haben, die Mehrheit erstmalig für das Thema zu sensibilisieren.) Aber die Gefahr, dass die Portigon doch noch ihren Willen kriegen könnte, ist leider sehr groß. Vorerst einmal ist ein verfahren eingeleitet worden, um festzustellen, ob es sich bei der Portigon-Sammlung um nationale Kulturgüter handelt. (Etwas, das ich zumindest ohne den vollständigen Katalog gesehen zu haben, mit „ja“ beantworten würde.)

In der Zwischenzeit muss aber der Gegenwind weiterhin vergrößert werden. Wenn die Portigon erfolg mit ihrem vorhaben bekommen sollte, wäre das der kulturelle Ausverkauf, weil gerade die von Museen aufwändig kuratierten Schätze durch diese Kuratierung ihren Bekanntheitsgrad steigern konnten. (Und ich will hier nicht zum Häuten der Verantwortlichen von Portigon auffordern, auch wenn diese Barbaren es verdient hätten.)

Ich selbst kenne aktuell nur diese beiden Petitionen: Eine vom Künstlerbund E.V und ein offener Brief, auf dem man auch unterzeichnen kann. Das ist zwar noch nicht viel, aber zumindest ein Anfang. (Und die öffentliche Debatte muss hier leider deutlich größer endlich einmal geführt werden, sonst würden wir bald alle nach dem FDP-Prinzip verraten und verkauft werden.)

Freitag, 23. Januar 2015

Vreitag: Vlogtaculum Januar 2015: Do it yourself



Da das Thema des Vlogtaculums Januar 2015 "Do it yourself" heißt, habe ich ein wenig in der Mottenkiste gewühlt und bin dabei auf ein Handout meines guten, alten Malkavianers "Alexander Marx" gestoßen. Und da alle beteiligten an diesem speziellen Plot (zumindest auf der Charakterbene) noch nicht einmal mehr aktiv in der Live-Domäne, wo das ganze passiert ist, aktiv sind (von Herrn Marx mal abgesehen) macht es mMn auch nicht mehr so viel aus, wenn ich das Ganze aus den Schatten der Heimlichkeit hervorhole.
Das hier ist einer der Plots, die wir nie lösen konnten. Und es ist auch Quasi mein erstes Handout überhaupt gewesen, dass ich irgendwo erstellt habe. Ich hoffe ich kann ein paar Ideen zum Thema "kreative Machenschaften" auf diesem Weg bringen und ein paar Spieler dazu verführen mal zusätzliche Medien auszuprobieren, die jenseits ihres "gewöhnlichen" Spiels liegen.

Montag, 19. Januar 2015

Rezension: China Mieville: King Rat

Cover: China Mieville
King Rat
Verlag: Pan Books
„Let's put the rat back into fRATernity.“

Für den jungen Londoner Saul hat sich die Welt in einen Albtraum verwandelt. Er wird eines Nachts aus dem Schlaf gerissen und findet sich mit einem mal auf einer Polizeistation eingesperrt wieder, beschuldigt seinen eigenen Vater umgebracht zu haben. Und dann passiert etwas unerwartetes: Eine seltsame Gestallt taucht auf, befreit ihn aus dem Griff der Polizei und führt ihn durch die Abwasser an einen Ort, den er nicht in dieser Hinsicht erwartet hätte und klärt ihn über Dinge auf, die er nicht für Möglich gehalten hatte.
„King Rat“ ist der König der Ratten, seid Jahrhunderten auf diesem Planeten unterwegs und vor ewigen Zeiten in einer Stadt Namens Hameln aufs Äußerste von einer Person gedemütigt worden, welche ihm die Autorität über sein Volk geraubt hatte. Und dieser „Lord of the Dance“, uns anderweitig auch als der Rattenfänger von Hameln bekannt, ist jetzt erneut aufgetaucht: Mitten im London der Gegenwart. Und der Mann ist auf der Suche nach Saul, der in diesem Krieg der Tanzmusik etwas ganz besonderes darstellt: Saul ist weder Mensch noch Ratte, sondern etwas dazwischen. Und das heißt, dass er nach Ansicht von King Rat dem Rattenfänger als Hindernis entgegenkommt. Und auch wenn Saul so etwas wie eine besondere Wunderwaffe ist, ist auch der Rattenfänger nicht untätig, wobei er seine eigenen Waffen erschafft, durch die er Kontrolle ausübt, und das ausgerechnet auch noch inmitten von Sauls Freundeskreis.

King Rat ist eine von diesen Geschichten in denen sich sehr viel um die „klassischen“ Stoffe des Kampfes gut gegen böse dreht. Auch wenn Mieville hier ein paar Hintertürchen und seltsame Abzweigungen mit eingebaut hat. Grundsätzlich muss man nämlich auch noch erwähnen, dass es sich bei dem Roman um sein Debüt-Werk handelt, mit dem er in die britische Literaturszene eingestiegen ist und anschließend zu dem Autor wurde, der für seine verrückten Ideen mittlerweile bekannt ist. (Und für die ich ihn besonders stark zu schätzen gelernt habe.) Neben der Neuinterpretation des klassichen Märchenstoffes, den der Rattenfänger von Hameln darstellt sie man hier natürlich noch einige andere Dinge mitschwingen, die Mieville bekanntermaßen umtreiben: Als Mitglied einer marxistischen Partei sind hier sehr viele Anspielungen auf das Konzept des Klassenkampfes mit eingearbeitet worden. (So ist Sauls Vater beispielsweise überzeugter Sozialist gewesen und Saul hat auf diesem Weg einges über die Schriften von Lenin und Marx abbekommen.) Zeitgleich spielt aber auch gerade die jugendkultur Moderner Klubszene eine sehr prominente Rolle. „Jungle“ als elektronische Musik und ihre Wiedersprüche im Vergleich zu einem eher klassischen Musikbild sind dabei die tragenden Elemente (und dadurch verbunden kommt es auch zu bestimmten Aspekten wie der Frage, was an einer Musik letzten Endes für sie der identitätsbildende Stil ist. Im weitesten Sinne gesprochen zeigt sich hierbei auch der Wiederspruch, der eigentlich im Unverständnis zwischen den Generationen speziell in der zentralen Pointe letzten Endes. Aber was das ist würde zu sehr in den Bereich des Spoilers gehen. Sagen wir einfach: Musik stellt in der Geschichte sowohl das zentrale Problem, als auch letzten Endes die Lösung des ganzen Problems dar.)

Fazit

Das ich Mieville über alles im Verlauf der letzten Jahre zu schätzen gelernt habe, brauche ich wohl nicht noch einmal extra zu erwähnen. Gerade der Roman „Die Stadt & die Stadt“ ist meine persönliche Lieblingsgeschichte von diesem Autor und darüber hinaus etwas, das mir in möglichen verwendungen ständig Kopfzerbrechen bereitet. ^^

King Rat ist jetzt nicht ganz so gut strukturiert, was den Ausbruch aus bereits bekannten Dingen anbelangt. Mievielle hatte zu diesem Zeitpunkt scheinbar noch nicht den Plan gefasst, sich von der Tolkien-Prägung innerhalb der Phatastik zu lösen. Dennoch hat er hier einige sehr interessante Ideen verflochten, was Möglichkeiten betrifft, die nicht ganz so normal sind. Und man merkt halt eben, dass Mieville eher den sozialistischen Idealen anhängt. Das ist für unsere Zeit ungewöhnlich, aber nicht unbedingt unsympathisch. (Auch wenn einige Personen über solche Ideen eventuell die Nase rümpfen.)
Wie dem auch immer sei: Letzten Endes bricht zeigt Mieville hier durchaus das Talent mit einem leichten Hauch an Ironie einige Ebenen neu zu interpretieren und aus Dingen, die sich eigentlich dem Blick entziehen eine überaus spannende Welt für sich zu machen. Das Besondere dabei ist aber letzten Endes der Umstand, dass man eine urbane Methode der Kriegsführung nicht länger auf dem Schlachtfeld, sondern auf der Tanzfläche zu suchen hat.
Wie auch immer. Eine spannende Geschichte liegt mit „King Rat“ vor, die bereits einiges von dem Potential erahnen ließ, dass der Autor mittlerweile an den Tag gelegt hat. Wie immer kann man dazu eigentlich nur eines Sagen: Ein typischer Mievielle. Lesen und sich überraschen lassen, was kommt.

Montag, 12. Januar 2015

Der „Bullenkopf“: Eine Örtlichkeit für Unknown Armies

Ich denke, bevor ich ein wenig mehr über den Bullenkopf schreibe, sollte ich ein paar Gedankengänge im Vorraus bereitlegen: Es ist bekannt, dass ich Unknown Armies seid ein paar Jahren zu meinem absoluten Lieblingssystem erklärt habe. Das Problem dabei ist, dass UA immer einen sehr komplexen Spagat macht: Zum einen sucht es sich in postmoderner Hinsicht sehr alte, sozilogisch-gesellschaftliche Konzepte, wie wir sie im Grunde alle kennen, die es dann aber auf unsere moderne Popkultur bezogen radikal neu erfasst und uminterpretiert. (Das passenste Beispiel dafür ist die Videokassette der nackten Göttin, die ja bekanntermaßen als Generations-Ware gehandelt wird. Das Kopieren des Videos wird, dadurch dass die Generationen natürlich ihren üblichen Effekt auf die Kopien haben, und somit „auratisch“ im benjaminschen Sinne etwas abfallendes bekommen, selbst mit einem mal zu einer rituellen Handlung. In dieser Hinsicht würde eine DVD-Kopie des Gottesbeweiß der Sekte der nackten Göttin natürlich jeglichen Effekt verlieren.) Das diese ziemlich kompizierte Vorgehensweise natürlich auch ein probleme mit sich bringt, dürfte früher oder später jedem aufgefallen sein, der sich der tatsache stellen musste, dass UA einem ein sehr starkes, aber nicht unbedingt selbst erzählendes Setting vor die Füße wirft, dessen Schnippsel man anschließend selbst zu einer eigenen Sandbox ausarbeiten muss. (Der Name Bullenkopf hat diese Kneipe deswegen bekommen, weil ich in einer kurzen Kampagne, in der ich den Ort als solchen zum ersten Mal eingesetzt habe, dringend eine Kneipe brauchte, die Tatsächlich in Münster vor Ort existent war. Meine Version unterscheidet sich zwar eindeutig vom dem realen Bullenkopf, ich habe den Namen aber als Variable in meinen Notizen aufrechterhalten.)

Ein weiterer Faktor in diesem Bereich ist, dass Macht eben nicht über den Vorstellungsramen einer (angenommenen) Elite aufgebaut wird, sondern sich gerade aus der Lebensweise von gesellschaftlichen Underdogs heraus aufbaut. In gewisser Weise dreht es sich bei UA eher um die „Arbeiterklasse“, als um die „Industriebarone“.
Wenn man sich diese Faktoren einmal zusammengesucht hat, stellt sich anschließend eine Frage: Was ist „neutraler Grund“ auf dem sich die Macher des okkulten Untergrundes treffen würden?
Und da kommt mir eine der ältesten Klischee-Begegnungsstädten des Rollenspiel-Genres als solches sehr gelegen: Die Taverne. In dieser Hinsicht ist der Bullenkopf in seinen öffentlichen Räumen eben eine solche. (Eher ein etwas heruntergekommen wirkender Schuppen, mit minimal zwielichtigem Ruf, als das beliebte Eck-Ding.)

Warum jetzt ausgerechnet der Bullenkopf sich als Treff- und Sammelpunkt für die Macher eingerichtet hatte, kann keienr mehr sagen. Das allerdings niemand den fragilen Frieden innerhalb der Lokalität stört, wird mit grimmiger Sicherheit durch den Hausherren, August Macke, weitestgehend garantiert.

Die hinteren Räumlichkeiten des Bullenkopf sind ein wenig anders, als man es normalerweise erwarten würde. Macke hat hier ein kleines Reich geschaffen, in dem er ständig irgendwelche Sachen lagert, um sie weiter zu handeln, solange es um physische Gegenstände geht. Aber sein größtes Gut sind dabei nicht unbedingt Artefakte aller Art. (Auch wenn er durchaus hin und wieder damit protzt, dass der Palast aus Pappe schon einmal als Handelsgut durch seine Hände gegangen ist.) Die wichtigste Wahre, die hier mit dem Hausherren persönlich gehandelt werden kann, sind Informationen. Dafür hat er einen kleinen, spartanisch eingerichteten Raum als Büro geschaffen, wo sich ein Schreibtisch befindet, der ständig von Papieren überzuquellen scheint. Und wenn Macke hinter seinem Schreibtisch sitzt, seine Gäste (& Bittsteller) vor sich sitzend, befindet sich noch eine weitere Tür in seinem Rücken. Diese Tür führt in einen Raum von der Größe einer Besenkammer. Nur das in diesem Raum nichts anderes steht als ein alter, rostiger Eimer, der ständig mit einer beinahe Ölähnlichen Flüssigkeit befüllt zu sein scheint.

Personen im Bullenkopf

August Macke

August Macke ist ein alter, im Laufe seienr Karriere zynisch gewordener Avatar des Händlers. Der Mann ist um die 50, sein Haar geht langsam aber immer auffälliger zurück und er blickt aus trüben Augen in die Welt. Jedoch sollte man ihn niemals unterschätzen: Macke weiß sehr genau, was seine Informationen eventuell wert sein können. Aber lässt auch mit sich verhandeln, was den Preis angeht, wobei er immer aus einer Position des überlegenen heraus vorgeht.
Sollte jemand technische Fähigkeiten besitzen, kann es passieren, dass er einfach nur für das, was er wissen will, einen Raum voller alter, defekter Voksempfänger reparieren muss. Es kann aber auch sein, dass sich Macke die Schuld abarbeiten lässt. (Sein derzeitiger Barkeeper ist so ein Fall.)

Der Barkeeper

Eigentlich heißt der Mann Franz Marc und war, bevor er in die Fänge von Macke geraten ist, Quantenphysiker gewesen. Dummerweise kann Macke aber nichts mit jemandem Anfangen, der „Schweißfüße beschleunigt“. Dementsprechend wurde Marc von seinem neuen Herrn dazu gezwungen, seine Schuld, über die beide Stillschweigen bewahren, als Barkeeper und Auktionator abzuarbeiten. (Wie lange er in Leibeigenschaft ist, und wie lange er es noch bleiben muss, kann keiner Sagen. Irgendwie gehört Marc schon viel zu lange zum festen Inventar des Bullenkopfs, dass sich keiner mehr an eine Zeit davor erinnern kann.)

Der rostige Eimer

Der rostige Eimer ist so etwas wie ein zusätzliches Kapital von August Macke: Es handelt sich hierbei um einen Portal-Schlüssel in einen Anders-Raum, der aus irgendeinem Grund nur aus unendlichem Platz zu bestehen scheint. Macke hat hier unzählige Dinge eingelagert. Und wann immer jemand den notwendigen Preis bereit ist zu bezahlen, lagert er auch als teure Serviceleistung weitere Dinge für andere hier ein. Es ist ein geben und nehmen, durch das der Händler aber auch seine Funktion als neutrale Partei weiter ausbauen konnte.

Besonderes Ereignis: Die Parade der wandelnden Toten

Alle 24 Stunden passiert im Bullenkopf ein besonderes Ereignis. Mit einem mal ströhmt jeden Abend eine kleine Gruppe Leute herein, die eher so Aussieht, als wären sie dem Tode näher, als dem Leben. Und genau das ist der Fall: Wenn man sich die Personen nämlich näher anschaut so sieht man an ihnen offene, klaffende Löcher von Schußverletzungen, Auswüchse von nekrotisiertem Gewebe, Entzündungen von Krankheiten und ähnlichen Dingen, die längst in einem Stadium sind, dass die Person eigentlich Tod sein müsste. Eigentlich!
August Macke ist aus irgendeinem Grund in der Lage jeden Abend eine Portion des Elixier Vitae anzubieten. (Siehe hierzu auch die entsprechenden Einträge in Postmoderne Magie und dem Szenarioband Weep.) Da das Elixier aber nur 24 Stunden wirkt und es immer genügend Seelen gibt, die ein wenig mehr Zeit brauchen, versteigert er diese eine Portion pro Abend und die wandelden Toten, welche die Zeit davor gebraucht haben, um so viel Geld wie nur eben Möglich zusammenzuraffen und sich ihre Zeit erneut zu erkaufen, um nur einen einzigen Tag weiter zu leben, ströhmen in Schaaren herbei, bieten so viel Geld, wie sie nur eben können und sterben noch während der Auktion, während der eine glückliche Gewinner anschließend geht, um erneut 24 Stunden damit zu verbringen, so viel Geld wie nur eben Möglich zusammenzuraffen.
Die Laichen der Autionsverlierer werden von Macke angeblich nicht entsorgt, sondern sind selbst Handelsware ab dem Moment, wo sie auf seinem Boden verreckt sind. Er behauptet gerne, das er die Körper an die medizinsche Fakultät verkauft, wo sie im Anatomie-Unterricht von Studenten seziert werden. (Allerdings muss man dabei eine Sache bedenken: In den Mülleimern des Bullenkopf finden sich jeden Abend unmengen Geldscheine. Da Macke seine Rolle als Händler sehr ernst nimmt verliert Geld für ihn jeglichen Wert, solange es nicht durch Handel in seinen Besitz gelangt.)

Donnerstag, 8. Januar 2015

Crowdfunding: Sind wir jetzt alle bekloppt geworden?

Ich kam gerade von der Arbeit nach Hause und da sah ich dann das hier in meinem Browserfenster aufleuchten:

45.139 € sind bis jetzt zusammengekommen. Damit ist auch das "neue" Stretchgoal längst überschritten. (Das sollte es bei 44.000€ geben. Und ich ging bis jetzt davon aus, dass diese Summe in den verbliebenen 2 Tagen gänzlich utopisch sei.) Also, damit wäre die deutsche Übersetzung eindeutig überfinanziert und ich habe wohl ein neues System für Horror-Rollenspielrunden in meinen Besitz gebracht.

Montag, 5. Januar 2015

Crowdfunding: Ein Zwischenstandsbericht.... und „Oh Gott. Ich habe ein Monster gepledget!“

Das lotfp-GRW und das NSFW-Buch.
Meine Crowdfunding-Ausbeute + entsprechender Regeln
obendrauf, wenn man so will.
Okay, eigentlich sollte dieser Beitrag erst deutlich später kommen mit ein wenig mehr nähe zu den anfallenden Rezensionen. (Und dafür heute zwar durchaus etwas mit Rollenspielbezug, aber einem anderen Fokus.)
Das ich mich im letzten Jahr habe dazu hinreißen lassen an einem Kraut-Pfann-Ding teilzunehmen ist ja nicht neues mehr, sondern hinlängst bekannt. Das Buch (NSFW) ist hier mittlerweile sicher und behütet angekommen und wartet unbelesen der Dinge die da kommen mögen. (Aufgrund des Portos habe ich mich auch noch dazu hinreißen lassen auch noch das Grundregelwerk von Lamentation of the Flameprincess mir zuzulegen. (Was zwar ein Pluspunkt aufgrund der Hardcoverbindung in DinA5 ist, aber aufgrund des Inhaltes nicht so viel neues generiert. Lotfp ist ja letzten Endes – genau wie LabLord - „nur“ ein Retro-Clone des UR-D&D. Technisch fehlt mir also von den Regeln her im Moment eigentlich nur ein nicht satirisch aufbereitetes Grundregelwerk nach AD&D-Regeln. Da es sich als eher schwierig erweist an die erste Auflage von AD&D 1 heranzukommen, werde ich wohl da doch irgendwann mal den Weg über Osric bemühen müssen, da die Übersetzung der entsprechenden LabLord-Erweiterung auf sich warten lässt.)

Der erste Eindruck ist soweit gut. Das Büchlein ist zwar sehr dünn. (Was bei 64 Seiten nicht anders zu erwarten war.) Besticht aber dadurch, dass es in Vollfarbe gehalten wurde. (Etwas, dass man derart kleinen Projekten eigentlich nicht erwarten kann.) Und: Gerade wenn man dann das Grundregelwerk daneben legt, dass tatsächlich beinahe vollständig in Schwarz weiß gehalten ist – von ein paar „Farbtafeln“ in der Mitte des Bandes mal abgesehen – wohl auch eher auf die möglichkeiten des Crowdfundigs zurückzuführen ist.

Ich bin also in gewisser Weise hell auf begeistert. Die Möglichkeiten, wenn auch hier fast schon experimentell Seltsam gewählt in Form der „Pay what you want“-Option zeigen eigentlich sehr gut, dass gerade Märkte, die eher durch ihre bescheidene Größe schwierig einzuschätzen sind, doch ein paar gewisse Möglichkeiten offenlegen. (Ich bin kein Marktforscher. Aber wenn ich über solche Wege mitbestimmen kann, dass ein wenig mehr Grusel und Horror in die Rollenspiellandschaft zurückkommt, dann sei es drum: Etwas besseres kann mir nicht passieren.)
Wer allerdings denkt, dass alles reibungslos und glatt gelaufen sei, der irrt. Als die Indiegogo-Kampagne „gelaufen“ war las ich ein wenig in den Kommentaren und musste zwei Dinge feststellen: Raggie gilt wohl nicht unbedingt als zuverlässig. (Offenbar hat er eine lotfp-Geschichte sogar vollständig in den Sand gesetzt.) Das so etwas passieren kann, war mir allerdings von Anfang an klar. Ich hatte mir in dem Moment nur gedacht: „Okay... warten wir es ab.“
Und dann kam zwischendrin noch die Meldung, dass die Druckerei Querelen gemacht habe und ein großteil der Lieferung absolut unbrauchbar angekommen sei. Tja. Soweit so unschön. Aber dennoch hat kurz vor Jahresende dann alles einen glücklichen verlauf genommen.

Aber: Ich schreibe einen solchen „Zwischenstandsbericht“ sicherlich nicht einfach nur so, weil ich gerade lustig bin und hier rumjammern möchte. Wer meinen Vlogtaculums-Beitrag zum Dezember gesehen hat, weiß das ich auch noch bei der deutschen Numenera-Kampagne eingestiegen bin. (Das soll es dann aber auch erstmal bleiben. Ich habe noch eine vierpfotige Ausgabe demnächst zu tätigen.) Als ich meinen Obulus in den Topf geschmissen habe war der Gedanke meinerseits eigentlich nur, dass ich auf diesem Weg vermutlich ein interessantes Setting für die Sammlung bekomme. Eventuell auch ein One-Shot-System für ein oder zwei Hangouts, in dem sich die Fantasy im Gewand der Science Fiction aufzulösen beginnt. (Im Idealfall als ein wenig „Grim and Dark“. Mehr war da aber eigentlich nicht. Das einzig unverschämte an der Sache war, dass man geradezu zur Teilnahme genötigt wurde, weil es hieß: Entweder den geilen Scheiß eines Hardcover-Buches jetzt... oder eine gammelige, nutzlose Box, die man nur in den Aktenvernichter stopfen kann, später.) Dann schossen mit einem mal die Stretchgoals nach und nach hoch. (So das man fast Angst bekommen konnte) und Plötzlich drehte ich den Vlogtaculumsbeitrag und fragte mich, ob ich wirklich etwas mit den eSeL-Schirm anfangen könnte. (Okay, eine weitere Spielleiter-Hilfe sollte noch dazu kommen was durchaus etwas lohnenswertes an sich hatte.)

Irgendwann in der Nacht von Samstag auf Sonntag ist dann das passiert, was ich wirklich nicht erwartet hatte: Das vorletzte Stretchgoal in Form des Cypher-Decks wurde geknackt. Und wenn man sich den Zeitrahmen zwischen eSeL-Schirm und Cypher-Deck so ansieht ist es gar nicht mal so unwahrscheinlich, dass die Kampagne beendet wird und ich irgendwann im Juli (oder wie lange das Ganze auch dauern mag) auch noch das Creature-Deck in Händen hallten kann. (Mir schwirrt jetzt schon der Kopf bei dem Gedanken... und ich bekomme ein leichtes Unwohlsein in der Bauchgegend nicht beseitigt, während ich das Gefühl der Habsucht zu unterdrücken suche.)

Anyway, was heißt das jetzt für uns hier?:

Erstens: Orkenspalter hat wiedererwarten eine sehr weit verbreitete Fanbase. (Was wiederrum bedeutet, dass Mhaire Stritter Unkenrufen zum Trotz eine der populärsten RPG-Persönlichkeiten in Deutschland überhaupt sein dürfte. Ich frage mich, ob eine solche Aktion auch gelungen wäre, wenn Michael „Scorpio“ Mingers, das alte Gesicht von Dorp-TV, so etwas gemacht hätte.) Immerhin hat gerade Mhaire mit ihren Let's Play-Videos ein wenig zur bekanntheit des Systems hier in Deutschland beigetragen. (Das der Uhrwerk-Verlag selbst eine Menge Selbstironie – neben ihrer Vorliebe für seltsame Setting-Ideen – an dem Tag legt, weiß man ja seit dem Video des Kickstarters für die englische Übersetzung des Ubiquity-Space 1889.)

Zweitens: Wir müssen davon ausgehen, dass die Rollenspiellandschaft hier in Deutschland eher „westfälisch“ Geprägt ist. (Sprich: Schweigen heißt Zustimmung.) Das heißt, dass wir im digitalen Zeitalter durchaus sehr viele Rezipienten haben. (Mein Blog hat Gestern etwa 106 Zugriffe gehabt. Wie viele davon jetzt was waren – Also ob Bots, Fehlversuche über Googel oder wirklich interessierte Leser – sei mal dahingestellt. Das davon aber keine Person einen Kommentar unter das von mir geschriebene verfasst hat ist entweder einer „weitermachen“ oder aber „Was schreibt der Kerl für einen Mist.“... und das ist irgendwo dann doch leicht frustrierend. (Einer der Gründe, warum man „den Orakelmenschen“, wie mich purpltntcl einmal genannt hat, immer in erster Reihe unter den Kommentatoren der von mir rezipierten Medien vorfinden kann. Egal ob jetzt Hangout-Streams oder Podcasts... teilweise geht das soweit, dass zumindest meine Youtube-Kommentare schon Leute zum ansehen von Streams bewegt haben, nur weil ich in ihrer Google+-Timeline existiere.)

Drittens: Wir haben anscheinend einen Markt für seltsame Ideen. (Und für optisch gut aufbereitetes Material.) Nur sind das nicht unbedingt immer die Frontschweine unter den Kommentatoren. (Vielleicht ist auch das jeweilige Interessensfeld zu klein, um direkt bemerkt zu werden.) Und einige Leute haben es vermutlich tatsächlich satt immer nur den Einheitsbrei vorgesetzt zu bekommen. (Das heißt zwar nicht das Ende von DSA, könnte aber dazu führen, dass eventuell Dinge wie Opus Anima oder Degenesis wieder ein ernst zu nehmendes Thema irgendwann werden dürften.) Falls sich also Start Next langfristig als deutsche Alternative zu Kickstarter durchsetzen wird, was Rollenspiele betrifft (und die Chancen stehen zumindest insofern gut, weil Start Next einen Fehler, den Kickstarter macht, nicht begeht: Sie lassen jenseits der Kreditkarte auch andere Zahlungsmöglichkeiten zu. Ich denke mal, dass meine Abneigung gegen Kredite aller Art – und das Wort „Kredit“ steht ja nicht umsonst in „Kreditkarte“ - durchaus weiter verbreitet ist. Und gerade mit der immer noch andauernden Rezession der Weltwirtschaftskrise (und der damit verbundenen Offenlegung der häufig verdrängten Wirtschaftslüge) könnten die Kreditkarten – falls sich das Konzept des gesunden Menschenverstandes doch noch weiter verbreitet – endlich mal einen weiteren, drastischeren, zurecht schwereren Stand bekommen. (Immerhin war gerade das leben auf Pump, das in den Staaten so weite Verbreitung gefunden hat, einer der zentralsten Faktoren des derzeitigen Problems.)

Im großen und ganzen Dürfte es also spannend werden, der derzeitigen Entwicklung zuzusehen. Denn das sie gerade unsere kleine Szene hier in Deutschland eventuell aufrütteln könnte, scheint derzeit die wahrscheinlich zentralste Wahrheit zu sein. (Zumindest, solange es um das Potential geht.)