Montag, 4. April 2016

Was die Dark Fantasy reitet... oder doch nicht?

Jetzt hat die gute Zeitzeugin doch ein Faß aufgemacht. Und während Böhmermann dazu fast schon passend Nebenan sein Liedchen trällert, sehe ich mich hier gerade suchend in meinem Bücherregal um und grase das Internet ein wenig ab auf der Suche nach passenden Gedankenspielen, die man da verarbeiten kann. Und eigentlich fällt mir im Augenblick nur die große Frage hinter der „Dark Fantasy“ ein.

Zu Erklärung: Von einigen Jahren gab es einen kurzfristigen Hype an Rollenspielen wie Arcane Codex, Dragon Age, Elyrion, The Witcher und weiteren Vertretern diverser Macher/Macharten, die allesamt mit dem Begriff „Dark Fantasy“ umschrieben wurden. (Und wo die entsprechenden Videospiele zum Teil auch noch die Vorstellungen der entsprechenden Pen&Paper-Produkte irgendwie mitprägten.) Von daher nagelt mich nicht genau auf ein bestimmtes Datum fest. Gefühlt kann es irgendwo zwischen 2007 und 2010 gelegen haben.
Die Forendiskussionen damals waren immer noch sehr unterschiedlich geprägt von Begriffen wie „gesunden Powergamen“, welche man allgemein als Geisteskrankheiten wohl mittlerweile zum Glück aufgegeben hat, und entsprechendem Unverständnis über alles, was auch nur im entferntestem die Idee mit sich brachte im entferntestem „düster“ zu sein und „hilflosigkeit“ im gemüht mit sich zu bringen. Sehr gerne wurden Vergleiche zu vermeitlich „helleren“ Settings (wie den vergessenen Königreichen bei D&D) gezogen oder aber auch darauf hingewiesen, dass man letzten Endes die Vorgehensweise nur so anpassen müsste, und daher der entsprechende Begriff keinen Sinn machen würde. (Ganz zu schweigen, dass man Vampire-Spielern allgemein gerne einen Hang zur herbeigezüchteten Passivität vorwarf und daher ganz klar sich selbst als die bessere Spielweise überhaup hochstilisierte.)

Auf der anderen Seite gab es dann meist „kleinere“ Argumente, die zwar die Gegenseite nicht überzeugen konnten, die aber meistens eine andere Vorgehensweise aufzeigten:
Da war die vielzitierte, „erwachsenere“ Herangehensweise an den phantastischen Inhalt. (Hier wünscht man sich manchmal eine entsprechende diffierenzierung zwischen Adult und Mature, wie im Englischen.) Der zumeist sehr kontrastreich zueinanderstehenden Parteien innerhalb der Spielwelt und ja: Auch die Tatsache, dass ein mal mehr oder mal weniger drastisch inherenter Rassismus die jeweiligen Settings ausmachen würde, wurde immer mal wieder lobend hervorgehoben.

Jetzt muss man natürlich hier erwähnen, dass der Dark Fantasy Hype als solcher schon seid einiger Zeit in allen Medien wieder weitestegehend abgefahren ist. (Allerdings mit unterschiedlicher Stärke.) Die bildgewalltigsten Vertreter, Namentlich die Video-Spiele „Dragon Age“ und „The Witcher“ haben in ihren jüngsten Teilen ihre jeweiligen Serien an den Rand des totalen Abgrundes gebracht. (Und versuchten dabei dann auch noch gleich die Welt wieder zu retten. Jeder auf seine eigene Weise.) Was man dabei allerdings feststellen konnte war der Umstand, das der Begriff „Dark Fantasy“ nicht unbedingt mit einem Beispiel geklärt wäre, dass die „Power Level“-Zuordnung ein entscheidendes Merkmal sei. (Frust über zunehmend unausgegohrenere Steuerungen hingegen schon.)

Aber wir reden hier ja nicht über Videospiele primär, sondern über den entsprechend dargestellten Rassismus innerhalb der ensprechenden Settings. Und daraus folgernd auch über die entsprechend äquivalenten Pen&Paper-Systeme und deren ausgestalltung.
Also, was macht Dark Fantasy letzten Endes aus? Wenn wir uns die durchschnittlichen Settings ansehen, so handelt es sich bei den Grundlegenden, basalen Elementen um Settings mit humanozentrischen Gesellschaften. Sprich: Die Vormachtstellung unter den entsprechenden Völkern haben grundsätzlich immer die Menschen. Das ist für sich betrachtet noch nicht der alles entscheidende Faktor, allerdings gibt es eine „eigentliche“ Angabe, aus welchem Volk die entsprechenden Spielerfiguren nach Möglichkeit kommen sollten. (Nicht müssen, aber sollten.)
Und dann kommt als zweiter Punkt letzten Endes der Bedrohungslevel hinzu: Je unmenschlicher und Gnadenloser der mögliche Gegner ist, um so besser. Aber: Der Wichtigste Aspekt dabei ist der eindeutig unmenschliche, fremdwirkende Phänotyp der Bedrohung. Das heißt zwar nicht, dass die entsprechenden Gegner nicht Humanoid sein dürfen, aber sie müssen nach Möglichkeit erstmal keine Menschen sein.
Auf der Meta-Ebene erfüllt das gleich zwei Möglichkeiten: Zum einen ist es sehr einfach hochkompetente Helden und ihre Geschichten zu erzählen. (Fürs Rollenspiel betrachtet: Die Systeme müssen geradezu gefährlich sein. Geradezu tödlich.) Zum anderen erschafft es aber auch eine sehr gute Stimmungsbasis um zu erklären, warum man gerade dem Nichtmenschlichen gegenüber so absolut Feindlich gegenüber steht. (Rassismus ist zumindest in diesem Zusammenhang kein ausklammern von bestimmten Völkergruppe aufgrund ihrer jeweiligen etnisch-phänotypischen Merkmale, sondern das ausklammern von allem was nicht eindeutig Mensch ist.) Dieses Settings leben dabei übrigens davon, dass die entsprechend ausgeklammerten Völker immer noch menschlich genug für Mischlinge sind, was die Reproduktionsorgane betrifft. (Sprich: Halb-Irgendwas ist immer drin, solange es nicht zu den Monstern gehört.)
Und erst wenn wir uns der Tatsache bewusst sind, dass der Wiedersacher in seiner Natur immer in irgendeiner Weise einem Horror-Konzept entspricht, wird einem bewusst, warum Rassismus überhaupt als Konzept innerhalb des Genre-Begriffs der „Dark Fantasy“ eine immanent wichtige Position innerhalb des Settings übernimmt: Die menschliche Sozialisation innerhalb unserer westlichen Gesellschaften wird schon seid Jahrzehnten darauf getrimmt, dass man sich etwas sucht, dass aus der eigenen, vermeintlichen sozialen Stellung heraus „unten“ steht, so das man etwas zum Nachtreten hat. (Symbolisch wie Wörtlich zu verstehen.) Folglicherweise nutzt die Kocketterie mit eben dieser Lebensweise einen besonderen Umstand, da die Bevölkerung innerhalb eines solchen Settings immer unter einem permanenten Gefühl lebensbedrohender Angst lebt. (Wir reden hier noch nich von der Horror-Definierenden Todesangst, die gehört aber als theoretische Drohung grundsätzlich als Möglichkeit in naher Zukunft mit beigefügt.)
Die Logik hinter dem Dark Fantasy Rassismus besagt also: Wenn „He must not be Named“ eine dermaßen nichtmenschliche Form besitzt, warum sollte man dann etwas trauen, dass in irgendeiner Weise, und sei sie noch so klein, eindeutig kein Mensch ist?
Und mit diesem grundlegenden Gedankenspiel bauen dann Setting-Desighner mehr oder weniger Unterschiedliche ausgeprägte Möglichkeiten, um eine Unterdrückung aller nichtmenschlicher Völker darzustellen. (Wobei selbst dieser Umstand sehr unterschiedlich ausfallen kann.)
Die auffällige Variante dabei ist die Gettoisierung: Entweder bekommen die Individuen bestimmter Völker innerhalb der Städte der Menschen bestimmte Stadtteile zugewiesen, in denen sie auf Geheiß des jeweiligen Stadtoberhauptes leben dürfen und vor übergriffen Geschützt sind. Oder aber es werden von den jeweiligen Individuen entsprechender Völker kleine Reservate geschaffen, die die Größe von Königreichen annehmen können, in denen die entsprechenden Völker isoliert eine eigene Lebensweise führen können. (Auf diese Weise wird innerhalb der Settings ein konsequenter Status ständigen Misstrauens nahegelegt, wobei die dominante Kultur grundsätzlich erst einmal die Menschen sind.)
Die zweite Variante, die in unterschiedlicher Ausprägung natürlich auch zusätzlich in einem Setting, das Schwerpunktmäßig die erste Variante lebt, vorkommen kann ist nichts anderes als simple Sklaverei. Man entzieht einer wie auch immer gearteten Volksgruppe (die nicht menschlich ist) jegliche Persönlichkeitsrechte und macht sie zu einer handelbaren Ware. Dadurch kommen zusätzlich Spannungen ins Spiel (und spätestens zu dem Zeitpunkt, wo die Sklavin von ihrem Eigentümer als Lustobjekt missbraucht wird hat man auch endlich eine Erklärung für die ganzen Halb-Irgendwas-Wesen.) Letzten Endes dürfte dann die Übernatürliche Bedrohung von Außen nur noch vom spartakus-artigen Aufstand der Sklaven von Innen geschlagen werden.

Warum aber macht Rassismus in einem solchen Setting Sinn? Die Antwort ist extrem Banal: Helden!

Die Individuen einer solchen Fantasy leben eigentlich von einer extrem graufarbigen Moral, wenn überhaupt etwas positives daraus zu lesen ist. Trotzdem stellen die Grundlagen der meisen Heldensagen Individuen dar, die von Grundauf das richtige Wollen. Und dadurch bietet sich für Spieler auf der Charakterplay-Ebene beim Pen&Paper ein sehr interessanter Umstand, was man machen kann: Wie verordnet sich ein „Held“ in einer solchen Gesellschaft? In der Regel gehört er ja selbst dem dominanten Volk an. Wie steht er in solchen moralischen Fragen, die rassistische Entscheidungen auf hochplakativer Ebene betreffen, gegenüber. Gehört er zu denjenigen, die einen Verdächigen als erstes Hängen, weil der vermeitliche Deliquent ein Elf ist? Oder traut er der Tatsache, dass die Indizien eigentlich gegen den Verdächtigten sprechen?
Nutzt er die Möglichkeiten, die er hat, um die Völker miteinander gegen ein Übel verbinden zu können? Oder begeht er eine Tat des Genozids, um ein fragwürdiges Bündnis mit einem deutlich gefährlicheren Verbündeten einzugehen?
Und wie steht er der Sklaverei gegenüber?

Das sind jeweils Möglichkeiten um sich sehr schnell in einem Abenteuer in entsprechendem Setting zu Positionieren, da man ja die Heldenrolle innehat. Letzten Endes ist Rassimus also innerhalb der Dark Fantasy eine Art Lakmustest für die Darstellung charakterlicher Moral.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen