Dienstag, 30. Januar 2018

Rezension: Andy Weir: Der Marsianer [Kindle-Edition]

Cover: Andy Weir
Der Marsianer
Verlag: Heyne Verlag
Stell dir vor, auf einem lebensfeindlichem Planeten zurückgelassen worden zu sein, nachdem der Rest deines Forschungsteams dich für Tod gehalten hat. Du kannst dich ausschließlich von Kartoffeln ernähren und die einzige Möglichkeit der Zerstreuung, die dir zur Verfügung steht ist die schlimmste psychische Foltermethode aus dem Bereich Audiosmog, die es direkt nach Wham!s „Last Christmas“ und dem kompletten Hip-Hop-Genre gibt: Disko!

Das genau ist das Szenario, in dem sich der Astronaut Mark Watney auf dem Mars wiederfindet. Andy Weirs Roman „Der Marsianer“ beschreibt im groben Watneys Berichte über seinen Überlebenskampf auf dem Mars. Ich sage deshalb Bericht, weil der Orman sich in großen Teilen dem Genre des Tagebuch-Romans anrechnen lässt. Jenseits davon gibt es ein paar Meta-Erzählungen, die spezielle Ereignisse Beschrieben, welche Dinge spontan Änderns, die direkt auf dem Mars passieren. Darüber hinaus noch einige Szenen, die in der üblichen, dialogischen Erzählform geschrieben sind und sowohl Ausblicke auf die Erde, als auch auf das alltägliche Leben der Crew auf dem Rückweg, die glaubt, dass sie ein Team-Mitglied wahlweise verloren und/oder hintergangen haben.

Das Spannende bei dieser ganzen Geschichte ist, dass eigentlich nichts spannendes passiert. In der komplette Geschichte geht es darum, dass jeder Ort grundsätzlich eine Todesfalle ist, außer jenen Bereichen, die von hermetisch abgeriegelten Wänden umgeben sind. Folglicherweise geht es in erster Linie die ganze Zeit darum, hermetische Räume aufrechtzuhalten, zu flicken und erneut von Forne zu beginnen. Das heißt, dass hier im großen und ganzen – abgesehen von Watneys gewaltigem Zynismus, der aus jeder einzelnen Zeile seines Berichtes tropft - es im Grund genommen um Zahlen geht. Watney geht es bei all seinen Handlungen darum, in irgendeiner Weise Mathematisch festzuhalten, wie er überleben kann. Das heißt, dass man die meiste Zeit über damit beschäftigt ist, zu erfahren, welche Wahrscheinlichkeiten etwas bedingen. Von daher erfährt man deutlich mehr über Ackerbau, Monokulturen, Chemie und Bakteriologie. Im Kern tauchen ständig irgendwelche Details auf, in denen es sich um eine weitere Improvisation oder irgendwelche anderen Aushilfen handelt, die nur ein paar Tage mehr aus dem Leben herausholen. Auch wenn dieser Punkt am Ende dann „nur“ überleben ist.

Insofern ist „Der Marsianer“ in erste Linie eine sehr interessante Charakterstudie über eine Person, die in jeder Situation nichts weiter als ein Arschloch ist. Im Grunde zeigt Watneys Zynismus über die gesamte Situation einfach nur einen unglaublichen Willen zum Leben an, der von einer riesigen Situation an Problemen nicht zurückschreckt. Und genau das macht vieles so unglaublich interessant. Man verfolgt einen sehr seltsamen Überlebenskampf, der in dieser Form zwar nur sehr schwierig vorstellbar scheint, dessen erläuterungen in jeder Form aber nachvollziehbar sind. Und das macht die Ganze Angelegenheit so ungewöhnlich. Aus meiner Sicht sind Tagebuchromane so ziemlich die schlimmste und langweiligste Erzählform, die es gibt. Die Genrekonvention sieht normalerweise so aus, dass sich der jeweilige Autor in Details verrennt, die weder zur Spannung, noch zum Plottverlauf irgendwas beitragen. In diesem Fall aber beweist Weir eine unglaubliche Disziplin, was zu Detail-Armut führt. Diese Armut an Details zeigt dann schon wieder eine eigene Spannung. Keine verblümten Ausschmückungen, nur das notwendigste in Kombination mit einer Menge Gereiztheit. Letzten Endes muss man wohl in diesem Fall der Punkt sein, der den eigenen Witz innerhalb der ganzen der gesammten Erzählung ausmacht.

Fazit


Nehmen wir einfach mal die Sache als das hin, was sie ist: Eine sehr seltsame Geschichte, die es tatsächlich schafft ein eigentlich verunglücktes Genre zum ersten Mal einen interessanten Aspekt abzugewinnen. Wenn man darüber hinaus noch die sehr fokussierte Lösung als Weg der Erzählung betrachtet, die überhaupt erst die gesamte Geschichte vorantreibt, dann erkennt man auf die eine oder andere Weise diesen sehr seltsamen Faktor an, der aus einer beinahe lagnweiligen Aneinanderreihung an Ereignissen doch noch etwas „spannendes“ macht. Und das einfach nur, indem man die Dramatik des Umfelds mit einbezieht. Das ist sehr seltsam, weil es auf eine überraschende Weise Neugierde weckt.

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